125 Jahre: Großes Jubiläum für die Oberkasseler Brücke und die „K-Bahn“

Tausende Düsseldorferinnen und Düsseldorfer sind am Samstagmorgen, 12. November 1898, auf den Beinen, unterwegs zum Rheinufer. Die Oberkasseler Brücke wird eröffnet. Auch die erste elektrische „Schnell-Kleinbahn“ Europas fährt zum ersten Mal nach Krefeld –  zunächst nur im Rahmen der Feierlichkeiten. Am Abend beleuchtet ein Feuerwerk das mächtige Bauwerk. Rund 300 Ehrengäste hat die Rheinische Bahngesellschaft an diesem Tag zu den Feierlichkeiten eingeladen. Der preußische Minister für öffentliche Arbeiten, Karl Thielen, schlug um 10:30 Uhr die letzte „goldene Niete“ in das Brückenbauwerk ein. Das feierliche Grußwort, das er dabei spricht, wird sich – wie wir heute wissen – nicht erfüllen: „Dein Stein und Eisen seien fest gegründet bis zu den fernsten Zeiten! Wohlstand und Gedeihen mögen von Dir ausgehen, aber nie eines Feindes Fuß Dich betreten.“ Heinrich Lueg, einer der Gründer der Rheinbahn, der den Bau der Brücke und der Kleinbahn durch sein Engagement ermöglicht hatte, hält die Festrede. 

In nur zweieinhalb Jahren konnte die Rheinische Bahngesellschaft zwei Projekte fertigstellen, die die Entwicklung Düsseldorfs und der linksrheinischen Region nachhaltig beeinflussen werden. Endlich konnte der Rhein, unabhängig vom Schiffsverkehr, bei Hoch- und Niedrigwasser und dem gefährlichen Eisgang einfach überwunden werden. Durch die Erschließung der linken Rheinseite und die 1909 erfolgende Eingemeindung Heerdts mit seinen Ortsteilen Oberkassel, Niederkassel und Lörick wird die Fläche der Stadt annähernd verdoppelt, die Industrialisierung der Region vorangetrieben und die Entwicklung Düsseldorfs zu einem bedeutenden Wirtschaftszentrum und einer Ausstellungs- und Messestadt ermöglicht.

Im Rahmen der Baumaßnahmen wird außerdem das Düsseldorfer Rheinufer umgestaltet und erhält einen verbesserten Hochwasserschutz. Auch im Linksrheinischen gibt es großräumige Veränderungen: Hier verschwinden am Rheinufer mehrere beliebte Ausflugslokale. Ferner muss der „Schiffbrückenbahnhof“ der Bergisch-Märkischen Eisenbahn am Rheinufer aufgegeben werden. Die Züge enden fortan in Oberkassel am heutigen Belsenplatz. Benachbart entsteht hier das Betriebsgelände der Kleinbahn mit der Verwaltung, den Werkstätten und Abstellanlagen sowie das Kraftwerk und einige Dienstwohnungen.

Die Bahn ist ein ebenso wichtiger Teil des Großprojekts der Rheinischen Bahngesellschaft. Eine Vielzahl von Aufgaben wurden dafür in kürzester Zeit erledigt: Die Planung und der Bau der über die Brücke führenden 22,2 Kilometer langen Bahntrasse nach Krefeld, die Beschaffung der erforderlichen, neu konstruierten Fahrzeuge, die Konzipierung und Ausführung einer für höhere Geschwindigkeiten ausgelegten Oberleitung sowie der Bau von Bahnhöfen mit den Zufahrtswegen und den Wohnungen für die Bahnbeamten entlang der Strecke.

Um 1910 fährt eine K-Bahn durch die imposante Stahlkonstruktion der Brücke.

„Ein Triumph deutscher Ingenieurkunst“

Monumental sind die Uferpfeiler auf den beiden Rheinseiten: Zwei mächtige, dreifach gegliederte Portale aus rotem Sandstein im Stil des Historismus. Durch die beiden kleineren Tore links und rechts gelangt man auf die Fußsteige, das mittlere führt auf die Fahrbahn mit den Kleinbahngleisen. Das Innere der beiden Türme ist so geräumig, dass darin Büroräume und Wohnungen – mit einer herrlichen Aussicht auf die Stadt und den Fluss – für die „Brückengelderheber“ Platz finden.

Zwischen den beiden Portalen überbrücken zwei Eisenfachwerkbögen mit einer Spannweite von jeweils 181 Metern die Distanz zu einem im Fluss gründenden Mittelpfeiler, auf dem das Düsseldorfer Wappentier, der Bergische Löwe, selbstbewusst rheinaufwärts in Richtung Köln blickt. Inklusive der vier kürzeren Bögen misst das Bauwerk insgesamt 638 Meter. 3,8 Millionen Goldmark kostet die Oberkasseler Brücke, die am 15. November 1898 in der „Bürger-Zeitung für Düsseldorf und Umgebung“ als „Triumph deutscher Ingenieurkunst“ gefeiert wird.

Ein langer Weg zu einer festen Rheinquerung

Rund fünfzig Jahre vorher wurden die ersten Forderungen nach einer festen Rheinbrücke in Düsseldorf laut. Trotz der allgemein anerkannten Bedeutung für die Stadtentwicklung scheitert die Realisierung immer wieder, vor allem an der Finanzierung. Das „Schmerzenskind“ – wie die Düsseldorfer Presse die drängende Brückenfrage nennt – scheint am 3. März 1896 endlich einer Lösung näher zu kommen, als eine Gruppe von Unternehmern die benötigten Mittel dazu in Aussicht stellt und einen Antrag in den Rat einbringt. Sie werden am 25. März für die Durchführung ihrer Projekte die „Rheinische Bahn-Gesellschaft AG“ gründen.

Ein kluger Kopf – ein genialer Plan

Die Lösung der leidigen Brückenfrage ist Heinrich Lueg zu verdanken: Er machte sich das 1892 in Kraft getretene „Gesetz über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen“ zunutze, das den Bau von lokalen Eisenbahnen durch private Investoren erleichterte. Der Bau solcher Kleinbahnen steht schon seit einiger Zeit auf der Wunschliste der Stadtverordneten, die Verbindungen ins Bergische Land, in die Nachbarstädte Kaiserswerth, Rath und Ratingen und auch in die Textilstadt Krefeld diskutieren. Als Zentrum der europäischen Seidenindustrie hat die Stadt eine ähnlich rasante Entwicklung genommen wie Düsseldorf und ist zu einer der reichsten Städte Preußens herangewachsen.

Eine kleine Gruppe finanzstarker Unternehmer hatte Lueg als Mitstreiter gewinnen können und mit ihnen am 28. April 1895 eine Projektgesellschaft gegründet. Da ist zum einen sein Cousin und Partner in der gemeinsamen Firma an der Grafenberger Allee, Franz Haniel junior, ferner der Gelsenkirchener Holzgroßhändler Friedrich Vohwinkel sowie der Düsseldorfer Verleger August Bagel. Bagel ist ebenfalls in der Stadtverordnetenversammlung und Experte für Verkehrsfragen. Ein genialer Plan, dazu die Aufnahme von sechs Millionen Reichsmark privaten Kapitals, überzeugt nicht nur diese drei Unternehmer, sondern auch Banken, die das Projekt mit Krediten von weiteren sechs Millionen Reichsmark mitfinanzieren sollen. Als am 3. März 1896 in der Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung Heinrich Luegs Antrag „betreffend den Bau einer festen Rheinbrücke und einer Kleinbahn nach Krefeld“ verhandelt wird, hat das Projekt bereits konkrete Formen angenommen.

Der „Oberkassel-Deal“

Zur Finanzierung des Projekts wird in Luegs Konzept der Grundstückshandel ein wichtiges Standbein seiner geplanten Aktiengesellschaft. Der Brückenbau und die Kleinbahn sollen sich selbst tragen. Hierfür sollen die landwirtschaftlich genutzten Flächen auf der linken Rheinseite gewinnbringend als Bauland vermarktet werden. Die neuen Verkehrsmöglichkeiten und die Anschlüsse an die Kleinbahn, die sowohl Personen als auch Güter befördern soll, schaffen Anreize für Fabrikanten und Gewerbetreibende, sich dort anzusiedeln. Lueg denkt außerdem an eine zahlungskräftige private Kundschaft für das Immobiliengeschäft: Vornehmlich in bevorzugter Lage am Rhein, mit Blick auf die Stadt Düsseldorf, sollen in Oberkassel exklusive Wohnungen entstehen, mit Gas- und Wasseranschluss und dem damals noch neuartigen elektrischen Licht. Um die Bodenpreise auf einem erschwinglichen Niveau zu halten, erfolgt der erforderliche Landerwerb im Linksrheinischen unter strengster Geheimhaltung.

Die „Wahrung der Interessen des alten Stadtteils“

Nach den ersten Berichten über Luegs Pläne formiert sich heftiger Protest in der Altstadt. Am 25. Februar 1896 kommen etwa hundert Hauseigentümer zusammen. Thema ist der Stand der „für unsere Stadt so hochwichtigen Brückenfrage“. Wortführer ist der Stadtverordnete Anton Eitel, dessen Metzgerei in der Kurzestraße liegt und somit direkt Betroffener ist. Er reklamiert das reine Profitinteresse des Konsortiums und prophezeit Wertverluste der Altstadt-Häuser durch die Ableitung des Verkehrs in die Alleestraße. Er plädiert daher für eine zweite Rampe, die von der Brücke den Rhein entlang in den alten Stadtteil gebaut wird.

Keine Mehrheiten: Das Brückenbauprojekt scheitert

Mit diesem Sachstand tagt schließlich die Düsseldorfer Stadtverordnetenversammlung am 3. März 1896, aufgrund des großen öffentlichen Interesses im Balkonsaal der Tonhalle. Es werden zahlreiche Bedenken gegen den Brückenbau und die Kleinbahn geäußert. Eitel droht erneut, gegen das gesamte Projekt zu stimmen, sollte keine zweite Brückenrampe in die Altstadt gebaut werden. Gleichzeitig wird auch die Nutzung der städtischen Straßen durch die Kleinbahn zu einem kritischen Thema. Während die Projektgesellschaft von einer Nutzungsdauer von 60 Jahren ausgeht, machen Stadtverordnete deutlich, dass man dem Konsortium „die Verfügung über städtische Straßen“ höchstens für 30 Jahre gewähren möchte. Man fürchtet die Konkurrenz der neuen elektrischen Bahn zur bestehenden städtischen Pferdebahn. Der Düsseldorfer Stadtrat stimmt schließlich mit 19 zu 14 Gegenstimmen gegen die Vorlagen der Projektgesellschaft. Die Absage schlägt wie eine Bombe ein und versetzt die Stadt in helle Aufregung.

Im zweiten Anlauf zum Erfolg

Unmittelbar nach der Sitzung wandten sich bereits verschiedene Stadtverordnete an Oberbürgermeister Lindemann, um diesen fatalen Ausgang durch einen neuerlichen Beschluss schnellstmöglich abzuändern, sodass ein neuer Antrag schon in der nächsten Ratssitzung am 10. März 1896 als Punkt 1 wieder auf der Tagesordnung stand. Beschlossen wird nach erneut hitziger Beratung schließlich in namentlicher Abstimmung mit 25 zu 8 Stimmen: „Die Konzession wird bezüglich der Strecke Brückenrampe-Ratingerthor für die Zeit der Ausübung des Brückenregals [Anmerkung: 75 Jahre] durch das Konsortium oder seine Rechtsnachfolger ertheilt, bezüglich der weiteren Strecke [gemeint ist: bis zur Haroldstraße] auf die Dauer von 60 Jahren. […] Nach Ablauf von 60 Jahren werden die in den städtischen Straßen vom Ratingerthor ab liegenden Geleise nebst Leitungen städtisches Eigentum.“ Damit sind jetzt die wesentlichen Forderungen der Projektgesellschaft erfüllt.

Nachdem das Preußische Handelsministerium am 26. Februar 1896 die Genehmigung zum Bau und Betrieb der Kleinbahn erteilt hat und am 21. März 1896 auch die Krefelder Stadtverordnetenversammlung dem Antrag zum Befahren des Ostwalls bis zur Rheinstraße zugestimmt hat, sind alle rechtlichen Voraussetzungen gegeben. Vier Tage später, am 25. März 1896, gründen Bagel, Haniel, Lueg und Vohwinkel die „Rheinische Bahngesellschaft AG“ und die Umsetzung der Planungen beginnt.

Neben dieser Bronzetafel im Rheinbahnhaus sind noch Teile des eisernen Brückengeländers am Kaiserteich an der Haroldstraße und am Spee‘schen Graben an der Poststraße als Relikte der ersten Oberkasseler Rheinbrücke erhalten.

Die Rheinische Bahngesellschaft – eine Goldgrube?

Seit Bekanntwerden der Planungen wird immer wieder der Nutzen für die Stadt Düsseldorf und ihre Rolle in dem Verfahren in Frage gestellt, das Projekt lege der „Stadt zu Gunsten des Konsortiums gewaltige Opfer auf, ohne ihr irgendwelches Aequivalent dafür zu bieten.“ Vor allem an der Summe von 400.000 Reichsmark, die die Stadt für das Zuschütten des Sicherheitshafens leistet, scheiden sich die Geister.

Lueg tritt diesen Ansichten entgegen und gibt in der Bürger-Zeitung am 12. März 1896 eine Anzeige auf. Er erklärt, dass sämtliche, bisher durch das Konsortium erzielten, Gewinne ausschließlich in das Bauvorhaben fließen. Wer daran glaubt, dass das beabsichtigte Großprojekt die ersehnte Goldgrube ist, kann sich an der Finanzierung durch Aktienkäufe beteiligen. Der umgehende Baubeginn und der rasche Baufortschritt zeigten schnell den großen Nutzen des Brückenbau- und des Kleinbahnprojektes für die Düsseldorf und die Region.

Widerstände und Verdächtigungen konnten das Verhältnis Luegs zu seiner Wahlheimatstadt nicht trüben, zumindest nicht aus Sicht der Stadt Düsseldorf: 1902 verlieh ihm diese die Ehrenbürgerschaft, nachdem er sich durch die Organisation einer weiteren großen Industrie- und Gewerbeausstellung erneut Verdienste erworben hatte. Diese fand auf dem neuen Areal der aufgeschütteten Golzheimer Insel direkt nördlich der Oberkasseler Brücke statt.

Auf dem gleichen Gelände wurde 1926 die GeSoLei ausgerichtet. Sie sollte die größte Ausstellung in Deutschland während der Weimarer Republik werden. Ihre markanten Bauten – Planetarium (Tonhalle), Ehrenhof, Rheinterrasse – existieren noch heute und prägen das Rheinufer. Um des großen Besucheransturms Herr zu werden, wurde die Oberkasseler Brücke „erbreitert“. Dabei verlor sie ihre markanten Portale.

Am Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die Oberkasseler Brücke – wie auch alle anderen Düsseldorfer Rheinbrücken – am 3. März 1945 von der Deutschen Wehrmacht gesprengt.

In der heutigen Form als Schrägseilbrücke besteht die Oberkasseler Brücke seit 1976. Am 7. und 8. April 1976 erregte die Verschiebung des Brückenkörpers, der parallel zur bestehenden Brückenachse gebaut worden war, in seine endgültige Lage weit über Düsseldorfs Grenzen hinaus großes Aufsehen.

Die erste elektrische Schnell-Kleinbahn nimmt Fahrt auf

Die im Rohbau fertige Oberkasseler Brücke. Auf den linksrheinischen Wiesen lagern noch Baumaterialien.

Berichte über die Eröffnung der Oberkasseler Brücke am 12. November 1898 nehmen in der Presse reichlich Raum ein. Dass außerdem an diesem Tag erstmalig die neue „Schnell-Kleinbahn“ zwischen Düsseldorf und Krefeld fährt, ist Nebensache. Gründe hätte es an diesem Tag gegeben, über dieses Verkehrsmittel ebenfalls ausführlich zu berichten: Noch nie zuvor hatte in Europa eine elektrisch angetriebene Kleinbahn Geschwindigkeiten von 40 Kilometer in der Stunde und mehr erreicht.

Restarbeiten an der Brücke und nochmalige technische Überprüfungen bedingen, dass die Bahn der Öffentlichkeit erst am 15. Dezember 1898, also rund einen Monat nach der Brückeneröffnung, offiziell übergeben wird. Besondere Feierlichkeiten gibt es an diesem Tag nicht mehr.

Schnelle und prächtige Wagen

Die hohe Geschwindigkeit der Kleinbahn hatte wirtschaftliche Gründe. Die von der Rheinischen Bahngesellschaft durchgeführte Ausschreibung sah daher vor, dass die Fahrt zwischen Düsseldorf und Krefeld „jedenfalls nicht länger ist, als die gegenwärtige Fahrt über Neuss auf der Staatsbahn.“ Daraus ergab sich, dass „auf der freien Strecke eine für Kleinbahnen sehr erhebliche Fahrgeschwindigkeit von 40 km in der Stunde zu Grunde zu legen [ist].“ Diese kurze Fahrzeit war nur durch eine möglichst gradlinige Führung der Bahn außerhalb der Städte zu erreichen und dadurch, dass auf die sonst übliche Nutzung der öffentlichen Straßen verzichtet wurde. Die Bahntrasse führte so lediglich an die Ortsränder der linksrheinischen Ortschaften Büderich, Osterrath und Fischeln heran. Für den Verkehr auf der Gesamtstrecke beschafft die Düsseldorfer Firma „Düsseldorfer Eisenbahnbedarf, vorm. Carl Weyer & Cie.“ Triebwagen mit bauartgleichen Beiwagen.

Ein Foto der Brücke von Ende August 1898. Die beiden Bögen sind fast fertig. In drei Monaten ist Eröffnung.

Der Bau der Strecke ist in der zweiten Jahreshälfte 1898 zwischen Oberkassel und Krefeld so weit fortgeschritten, dass erste Probefahrten stattfinden. Am 10. November erfolgt die Abnahme der Fahrzeuge und der Bahnanlage zwischen „Düsseldorf, Ratinger Tor“ und „Krefeld, Rheinstraße“. Konzessioniert ist die Bahn dagegen bis zur Haroldstraße.

Zu diesem Zeitpunkt versucht die Rheinbahn von der Stadt Düsseldorf noch eine Änderung der vertraglichen Bedingungen zur Einführung der Kleinbahn zu erwirken. Dort ist festgelegt: „Die Bahn darf im Stadtgebiet nicht mit Pferden oder Lokomotiven, auch nicht mit Motoren, welche Rauch oder Dampf nach außen entwickeln, betrieben werden. Vom Ratingerthor ab ist auch oberirdische elektrische Leitung ausgeschlossen.“

Eine Oberleitung in der Innenstadt wollte die Mehrheit der Stadtverordneten nicht akzeptieren, da das Erscheinungsbild der Alleestraße mit dem gerade 1896 eingeweihten Kaiser-Wilhelm-Denkmal erheblich gestört würde. Dieser Sachverhalt würde allerdings auch für die städtische Pferdebahn, deren Elektrifizierung in den nächsten Jahren bevorsteht, bestehen.

Alternative Antriebe für die Innenstadtstrecke Ratinger Tor bis Haroldstraße, wie zum Beispiel die unterirdische Stromzuführung über eine dritte Schiene, sind allerdings noch wenig erprobt und außerdem sehr kostspielig. Das Angebot der Rheinischen Bahngesellschaft, der Stadt eine Summe von 50.000 Mark zu zahlen, sollte sie eine Oberleitung genehmigen, ist nicht erfolgreich.

So findet die Abnahme der Kleinbahn nur bis zum Ratinger Tor statt. „Präzis 1½ Uhr traf der erste elektrisch betriebene Wagen in der Stadt ein. Der große, elegant eingerichtete Motorwagen, welcher die Nummer I und die Aufschrift ‚Rheinische Bahngesellschaft‘ trug, macht mit seinen großen Aussichtsfenstern einen einladenden Eindruck. Er enthält 36 Sitz- und 14 Stehplätze, die auf die II. und III. Wagenklasse verteilt sind. […] Gegen 3¾ Uhr fuhren die Theilnehmer an der Probefahrt nach Düsseldorf zurück. Im Laufe des gestrigen Nachmittags verkehrten noch mehrere Wagen auf der Strecke. Lebhafte Bewunderung erregten diese Wagen namentlich am Abend, als sie in prächtiger elektrischer Beleuchtung erstrahlten.“

Eine aufwendig gestaltete Festschrift gibt die Rheinbahn zur Eröffnung der Brücke und der Schnell-Kleinbahn nach Krefeld heraus.

So hat das Publikum erstmals am 15. Dezember 1898 die Gelegenheit, die „erste elektrische Schnell-Kleinbahn in Europa“ zu benutzen. Die Züge fahren halbstündlich vom Ratinger Tor nach Krefeld. An den beiden Endpunkten wird ergänzend ein Lokalverkehr eingerichtet, sodass tagsüber ein 10 Minuten-Takt – in Düsseldorf zwischen dem Ratinger Tor und Oberkassel und in Krefeld zwischen der Rheinstraße und dem Bahnhof – besteht. Am 25. November 1899 ist der Streckenabschnitt bis zur Haroldstraße mit einer Unterleitung – dritte Schiene – fertiggestellt. Diese existierte bis 1907.

Die Kleinbahnstrecke hat bis zum heutigen Tag im Wesentlichen in ihrer ursprünglichen Trassierung Bestand. Sie wird durch die Stadtbahnlinien U70/U76 befahren und gehört zu den am stärksten genutzten Linien der Rheinbahn, die eine großen Zahl an Pendlerinnen und Pendlern zwischen den linksrheinischen Ortschaften und Düsseldorf nutz. 125 Jahre nach ihrer Eröffnung ist die Stadtbahn immer noch eine schnelle und komfortable Verbindung zwischen den Innenstädten von Düsseldorf und Krefeld und dem linksrheinischen Meerbusch.

Informationen zum Autor:

Hans Männel arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Rheinbahn. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichte des Nahverkehrs in der Region. Er ist Vorsitzender der „Linie D – Arbeitsgemeinschaft historischer Nahverkehr Düsseldorf“. Die Mitglieder des Vereins haben das Ziel die Düsseldorfer Verkehrsgeschichte – in enger Zusammenarbeit mit der Rheinbahn – „erfahrbar“ zu erhalten.