125 Jahre Rheinbahn: Zeitenwende in den 1970er Jahren

Die Rheinbahn feiert 2021 Jubiläum: Seit 125 Jahren ist sie ein wichtiger Motor für Düsseldorf und die Region und prägt deren Geschichte entscheidend mit. Grund genug, um im Laufe des Jahres immer wieder einen Blick auf unsere Historie zu werfen. Alle Beiträge dazu findet Ihr hier.
Im letzten Beitrag ging es um den Wiederaufbau in Düsseldorf.

Das Auto wird zunehmend zur Konkurrenz für die Rheinbahn: Heinrich Scheuken tritt 1970 die Nachfolge für Georg Rebbelmund an, der die Rheinbahn in den Zeiten den Wiederaufbaus und des anschließenden wirtschaftlichen Aufschwungs 25 Jahre geführt hat. In seiner Antrittsrede benennt er die Situation der Rheinbahn und die kommenden Herausforderungen deutlich: „Unsere Monopolstellung, die wir über siebzig Jahre […] besaßen, ist seit 1960 gebrochen. Das Automobil hat die Menschheit erobert und unsere Lebensgewohnheiten entscheidend verändert.“ Die Schaffung einer „autogerechten Stadt“ sieht er als Irrweg. „Die Stadtkerne verstopfen, die Straßen können den Verkehr nicht mehr aufnehmen.“ Entweder findet man andere Wege den Verkehr zu organisieren oder man gibt die „lebens- und liebenswerten“ Städte auf.
Im Oktober 1970 beschließt der Rat den Beitritt zur „Stadtbahngesellschaft Rhein-Ruhr“. Der aktuelle Stand der Stadtbahnplanungen in Düsseldorf umfasst drei Linien:

  • Nordlinie: Tunnel in Kaiserswerth, Tunnel vom Nordring zur Messe, Tunnel vom Freiligrathplatz bis zur Heinrich-Heine-Allee
  • Südlinie: Tunnel von der Heinrich-Heine-Allee bis zur Witzelstraße, Tunnel von Wersten bis Holthausen, Tunnel in Benrath
  • Westlinie: Tunnel in Oberkassel von der Brüsseler Straße/Hansaallee zur Oberkasseler Brücke, Tunnel von der Heinrich-Heine-Allee zum Hauptbahnhof

Zeitgleich beginnen im November 1970 erste Gespräche zwischen Kommunen und Verkehrsbetrieben über die Nahverkehrsprobleme im niederrheinisch-bergischen Raum. Ziel ist die Vorbereitung eines „Verkehrsverbundes Rhein-Mitte“, der den Nahverkehr für die Fahrgäste mit einheitlichen Tarifen und abgestimmten Fahrplänen attraktiver machen soll. Mit dem gleichen Ziel werden auch Gespräche für einen Verbundraum Rhein-Ruhr begonnen. Die langjährigen Verhandlungen enden am 30. Oktober 1978 mit der Gründung des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr (VRR).
Die ehrgeizige Stadtbahnplanung finden ihre Grenzen in den finanziellen Möglichkeiten des Bundes, des Landes NRW und der Stadt. Für NRW hat die städteverbindende Nordstrecke nach Duisburg über Kaiserswerth Priorität. Die Planungen an der Südstrecke werden vorerst beendet.
Auch an der Oberfläche soll mit Investitionen in ein Beschleunigungsprogramm die Qualität des Nahverkehrs erhöht werden. Die Stadt will investieren in

  • den Bau eigener Bahnkörper für die Straßenbahn,
  • die Einrichtung besonderer Spuren für Busse,
  • den Bau von Parkplätze am Stadtrand und
  • die Steuerung der Verkehrsströme mit dem Ziel, die Geschwindigkeit und Zugfolge der Nahverkehrsmittel zu erhöhen.

Innovative Ideen sollen die Attraktivität des ÖPNV steigern. So werden ab 1972 neuartige MAN-Gelenkbusse eingesetzt. Sie sollen den Fahrgästen schon auf der Fahrt vom Hauptbahnhof zum Flughafen das Flair eines Fluges vermitteln. Die Airport-Busse fahren jedoch hohe Verluste ein und werden bis 1976 wieder außer Betrieb genommen.

Im Inneren der Airport-Busse sitzt man auf luxuriösen Einzelsitzen. Der Einstieg liegt im Heck des Fahrzeugs.

Mit dem ersten Rammschlag für den Stadtbahntunnel an der Fischerstraße am 24. März 1973 beginnt der Ausbau der unterirdischen Verkehrsanlagen in der Innenstadt. Damit sind erhebliche Beeinträchtigungen des Verkehrs, des Geschäftslebens u der Bewohner im Zentrum verbunden. Die freundliche Symbolfigur „U-Dax“ wird die Tunnelbauarbeiten bis 2016, der Inbetriebnahme der Wehrhahnlinien, über dreißig Jahre begleiten.

Bei den Düsseldorfern findet der erste Rammschlag für den Stadtbahntunnel am 24. März 1973 große Aufmerksamkeit. Um den Verkehr im Bereich der Tunnelbaustelle möglichst wenig zu behindern, wird unter dem „Düsseldorfer Deckel“ gebaut. Seitliche Wände tragen einen Betondeckel, über den der Verkehr während des Ausbaus schon wieder fließen kann.

Für die Modernisierung ihres Fahrzeugparks – noch sind zweiachsige Triebwagen in Betrieb – beschafft die Rheinbahn bei der Düwag achtachsige (klassische) Straßenbahnfahrzeuge auf dem aktuellen Stand der Technik. Es sind Zweirichtungsfahrzeuge, die flexibel bei den durch den Tunnelbau erforderlichen Umleitungs- und Ersatzverkehren und später auch auf den Stadtbahnlinien eingesetzt werden können. Die Baureihe GT8S fällt durch ihre rotweiße Lackierung auf. Zuerst fahren die neuen Bahnen auf der Linie K nach Krefeld, wo sie durch ihren Komfort und die hohe Geschwindigkeit überzeugen können. Vier Wagen sind wieder mit einem Speiseabteil ausgestattet.

Durch die rot-weiße Lackierung fallen die neuen Straßenbahnen des Typs GT8S auf. Vier Wagen besitzen ein Speiseabteil, um diesen Service wieder auf der Fernlinie nach Krefeld anbieten zu können.

Mit dem beginnenden Bau der Stadtbahnlinien ist auch die Entscheidung über das dort eingesetzte einheitliche Fahrzeug erforderlich. Die ursprüngliche Absicht ein klassisches geschlossenes U-Bahn-System zu bauen, ist nicht realisierbar, da die Stadtbahnwagen sowohl in den Tunnelabschnitten mit Hochbahnsteigen als auch an herkömmlichen Haltestellen im Straßenverkehr fahren.
Das Land NRW entscheidet sich für einen modifizierten Wagen, des bereits in Köln eingesetzten Typs B100 mit der Typenbezeichnung B80. Der Stadtrat beschließt 1978 die Beschaffung von 60 Stadtbahnwagen B80 und die Anpassung von 69 vorhandenen GT8S an den Tunnelbetrieb durch den Einbau von Klappstufen.

Innovation Elektrobus
Einen innovativen Großversuch beginnt die Rheinbahn 1974 mit 13 rein elektrischen Bussen auf Linien in Benrath und Garath. Prognosen über die beschränkte Verfügbarkeit von Rohstoffen und Energiequellen und die bestehende Abhängigkeit von der Politik der Ölförderstaaten führen zu der Überlegung, alternative Energiequellen zu fördern. Die Busse haben einen Anhänger mit Batterien, die im Betriebshof Benrath aufgeladen werden. Entladene Batterien werden gegen „frische“ Speicher ausgetauscht. In einer späteren Phase des Versuchs erhalten die Wagen einen Pantographen, mit dem die Batterien in der Wendepause am Bahnhof Benrath aufgeladen werden können.
1982 übernimmt die Rheinbahn weitere sieben Elektrobusse aus Mönchengladbach. Bis 1987 sind diese innovativen Fahrzeuge im Düsseldorfer Süden im Einsatz. Sie sind in der Bevölkerung und bei den Fahrgästen sehr beliebt. Die Elektrobusse fahren komfortabel und fast geräuschlos. Stinkende und umweltschädliche Dieselabgase kennen sie nicht.
Das politische Interesse an dieser alternativen Antriebsform erlischt schnell, nachdem die Rohstoff- und Energieversorgung wieder gesichert erscheint. Die finanzielle Förderung des Bundes läuft aus und die Weiterentwicklung des Busses – in der nächsten Phase sollte Batterie in den Bus integriert werden – wird eingestellt.
Bei der Rheinbahn werden die letzten Busse 1988 außer Betrieb genommen. Der Wagen 9063 gehört heute zum historischen Fahrzeugpark.

Die MAN-Elektrobusse beziehen ihre Energie aus einem rund 7 Tonnen schweren Batterieanhänger.

In der ersten Phase des Großversuchs werden die entladenen Batterien im Betriebshof Benrath halbautomatisch gegen frische Energiespeicher getauscht.

1976 gehört ein Verkehrshindernis in der Innenstadt der Vergangenheit an. Die Oberkasseler „Dauerbehelfsbrücke“ war zu einem Nadelöhr im Verkehr zwischen den beiden Rheinufern geworden und hatte ausgedient.

Für weltweites Aufsehen sorgt die letzte Phase des Brückenbaus. Tausende von Beobachtern an den Rheinufern verfolgen interessiert – auch das Fernsehen berichtet live – wie der rund 12.500 t schwere Brückenneubau mit dem 79 Meter hohen Pylon am 7. und 8. April 1976 von Hydraulikpressen angetrieben um 47,5 Meter an seine endgültige Position geschoben wird. Um den Verkehr während der rund fünfjährigen Bauzeit möglichst wenig einzuschränken, wurde die neue Schrägseilbrücke parallel zur alten Brücke gebaut. So konnte während des Abbruchs des alten Bauwerks der Verkehr bereits über provisorische Rampen über den Neubau fließen. Lediglich in der kurzen Verschubphase war der Verkehr zwischen dem Stadtzentrum und Oberkassel unterbrochen.

Der Verkehr zwischen den beiden Rheinufern fließt schon über den Neubau der Oberkasseler Brücke, während die Dauerbehelfsbrücke noch abgebrochen wird.

Unter der Erde wird in der Innenstadt kräftig gearbeitet. Der Aufbau des Tunnelabschnitts Kennedydamm – Opernhaus (Heinrich-Heine-Allee) schreitet voran. Die Gesamtkosten für den Stadtbahn-Vorlaufbetrieb betragen einschließlich der Fahrzeugbeschaffung 400 Millionen Mark. Bund und Land tragen 217 Millionen Mark, Stadt und Rheinbahn finanzieren 183 Millionen Mark.

Für den nächsten Bauabschnitts bis zum Hauptbahnhof sind weitere 183 Millionen Mark erforderlich. Mit einem großen Volksfest erfolgt am 13. Januar 1979 der Baubeginn für den U-Bahnhof Heinrich-Heine-Allee.

Spektakulär ist der Abriss des Carsch-Hauses im Zuge des Stadtbahnbaus in Richtung Hauptbahnhof. Da es später an leicht geänderter Position wieder aufgebaut werden soll, müssen 4800 Fassadensteine nummeriert und katalogisiert werden. Sie wurden am Düsseldorfer Südring zwischengelagert und restauriert. Die Arbeiten dauerten vier Jahre.

Informationen zum Autor:

Hans Männel arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Rheinbahn. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichte des Nahverkehrs in der Region. Er ist Vorsitzender der „Linie D – Arbeitsgemeinschaft historischer Nahverkehr Düsseldorf“. Die Mitglieder des Vereins haben das Ziel die Düsseldorfer Verkehrsgeschichte – in enger Zusammenarbeit mit der Rheinbahn – „erfahrbar“ zu erhalten.