125 Jahre Rheinbahn: Der Wiederaufbau geht weiter

Die Rheinbahn feiert 2021 Jubiläum: Seit 125 Jahren ist sie ein wichtiger Motor für Düsseldorf und die Region und prägt deren Geschichte entscheidend mit. Grund genug, um im Laufe des Jahres immer wieder einen Blick auf unsere Historie zu werfen. Alle Beiträge dazu findet Ihr hier.
Im letzten Beitrag ging es um die Nachkriegszeit in Düsseldorf.

Das Auto ist mittlerweile ein Symbol für den sozialen Aufstieg. 1950 waren erst 516.000 Kraftfahrzeuge in der Bundesrepublik Deutschland zugelassen; 1960 ist fast die zehnfache Anzahl auf den Straßen: 4.489.407 Fahrzeuge. Unverblümt wirbt das Volkswagenwerk in den Zeitungen zum Ärger der Verkehrsbetriebe: „Uns soll keiner nachsagen können, wir hätten nicht alles getan, Ihnen die Fahrerei mit der Straßenbahn zu ersparen.“
Auch der Pendlerverkehr nimmt zu. Viele Düsseldorfer ziehen zum Wohnen in das attraktive Umland. Für einen Großteil der Pendler ist das Auto die erste Wahl für die Fahrt in die Stadt. Deutliche Fahrgastverluste erhöhen den Kostendruck der Rheinbahn. Konnte die Rheinbahn Ende der 1950er-Jahre noch ein Gewinn erwirtschaften, verschlechtern sich ihre wirtschaftlichen Perspektiven zunehmend.
Die Personalkosten betragen mehr als die Hälfte (etwa 58 Prozent): Ein Ergebnis der kontinuierlichen Lohnerhöhungen der letzten Jahre. Technische und betriebliche Maßnahmen sollen daher die Kostenentwicklung stoppen:

  • vermehrte Inbetriebnahme von Großraumfahrzeugen
  • Einführung des Einmannbetriebs im Busverkehr
  • Betriebseinschränkungen durch einen 12 Minuten-Takte ab August 1960
  • Reduzierung der Schaffneraufgaben durch den Fahrkartenvorverkaufs – beispielsweise durch die Einführung von Fahrkartenautomaten und „eiserner Schaffner“, wie die Entwerter genannt werden.

Kostendruck und Personalmangel zwingen die Rheinbahn auch zu Verkehrseinschränkungen und Tariferhöhungen, die nicht auf das Verständnis der Düsseldorfer stoßen. Die Düsseldorfer Nachrichten berichten am 22. Oktober 1960 gar, dass die Rheinbahn „diesen neuen Schlag gegen ihre Kunden [wagt].

Bahnen und Busse teilen sich den begrenzten Verkehrsraum mit dem Individualverkehr, hier auf der Breite Straße.

Der Wiederaufbau der Stadt geht weiter. Immer deutlicher wird, dass die Straßenbahn in Düsseldorf nur langfristig bestehen kann, wenn die Bahnen in einer „zweiten Ebene“ unter dem Pflaster fahren – darin sind sich Stadt und Rheinbahn einig. Immer konkreter werden die Vorschläge. Diskutiert wird eine „Unterpflasterstraßenbahn“ (normale Straßenbahn, die teilweise unterirdisch fährt) oder eine „Untergrundbahn“ (U-Bahn, als ein vom übrigen Verkehr unabhängig geführtes Verkehrssystem). Ein etwa sechs Kilometer langes unterirdisches Bahnnetz mit einer West/Ost-Verbindung (Oberkasseler Brücke – Wehrhahn) und einer Nord/Süd-Strecke (Ausstellungsgelände Fischerstraße – Karolinger Platz) nimmt erste Konturen an. Trotz der höheren Kosten bevorzugen viele die tiefer liegende U-Bahn, die im Schildvortrieb erbaut werden kann und zu weniger Verkehrsbehinderungen während der Bauzeit an der Oberfläche führt.
Die Finanzierung ist des Projektes ist jedoch unklar. Die Kosten übertreffen die Möglichkeiten der Stadt und der Rheinbahn bei Weitem. Man hofft – wie andere Städte – Bundeszuschüsse für den Bau der zweiten Ebene zu erhalten. 3 Millionen Mark werden vom Stadtrat für erste Untersuchungen eines U-Bahnnetzes genehmigt. Man hofft, dass bei einer zügigen Planung und schnellem Bau Anfang/Mitte der 1970er-Jahre die ersten Bahnen in der „Ebene -1“ fahren.
Bis dahin sollen weitere städteplanerische Maßnahmen, die im Generalverkehrsplan 1961 beschlossen wurden, die Voraussetzungen für einen leistungsfähigen öffentlichen Nahverkehr an der Oberfläche schaffen. Auf einer Trümmerfläche südlich der Landskrone eröffnet die Rheinbahn am 30. Oktober 1962 den neuen zentralen Umsteigepunkt am Jan-Wellem-Platz mit zwölf Bahnsteigen für Bahnen und Busse. Auch die bisher vom Graf-Adolf-Platz ausgehenden Fernlinien und Busverbindungen enden nun hier.

Im Zentrum entsteht der großzügige Verkehrsknoten Jan-Wellem-Platz. Das Phönix-Rheinrohr-Haus („Dreischeibenhaus“, 1960) und das Schauspielhaus (1969) werden zu neuen Wahrzeichen in der Stadt. Auf dem „Tausendfüßler“ quert der Autoverkehr in Nord/Süd-Richtung den Fußgänger und Bahnverkehr.

1962 wird auch die viergleisige Straßenbahnhaltestelle Hauptbahnhof/Wilhelmplatz als wichtiger Übergangspunkt zum Fern- und Nahverkehr der Deutschen Bundesbahn umgebaut. Der benachbarte Worringer Platz wird ebenfalls umgestaltet. Fußgänger erreichen den Haltestellenbereich mit seinen drei Bahnsteigen in der Platzmitte durch einen Fußgängertunnel – damals eine technische Neuheit und Sensation. An Rolltreppen oder Aufzüge dachte man damals ebenso wenig wie an die Gefahren in nächtlicher Dunkelheit und Einsamkeit, weshalb die Anlage nach einigen Jahren stillgelegt wurde.

Die Haltestellen am umgestalteten Worringer Platz können über einen Fußgängertunnel erreicht werden. Im Tunnel befinden sich einige Geschäfte.

Mit den ersten Untersuchungen, die 1965 vorgestellt werden, wird das zukünftige U-Bahn-Netz immer detaillierter. Vier Linien mit insgesamt  zwölf Kilometern Tunnelstrecke haben die Planer vorgesehen:

  • Rath – Innenstadt – Benrath
  • Heerdt/Lörick – Oberkasseler Brücke – Hauptbahnhof – Wersten/Lierenfeld
  • Innenstadt – Grafenberg
  • Innenstadt – Golzheim – Stadion/Kaiserswerth

Nachdem auf der Fernlinie nach Duisburg schon die modernen achtachsigen Gelenkwagen im Einsatz sind, ersetzt die Rheinbahn auch die letzten Vorkriegsfahrzeuge auf der Krefelder Strecke. Am 30. Dezember 1966 stellt die Rheinbahn fünf neue achtachsigen Gelenkwagen in Zweirichtungsbauweise (Typenbezeichnung K66) für die Linie K vor. Damit endet vorerst der traditionelle Speisewagenverkehr auf der „K“ für rund zehn Jahre. Die neuen Wagen besitzen kein Speiseabteil.

Einer der neuen achtachsigen Gelenkwagen K66 an der Krefelder Endstelle am Ostwall. Da hier keine Schleife besteht, wurden die Triebwagen in Zwei-Richtungs-Bauweise ausgeführt.

Die aktuellen Planungen des S-Bahn-Netzes sehen drei Linien vor, die in Düsseldorf mit zwei U-Bahn-Linien verknüpft werden sollen. Am 19. Dezember 1968 beschließt der Rat den U-Bahn-Bau. Es wird mit einer Bauzeit von 10 bis 15 Jahren gerechnet.

Der geplante U-Bahn-Abschnitt Hauptbahnhof – Heinrich-Heine-Allee – Golzheim – Stadion/Kaiserswerth wird in die Strecke Düsseldorf – Duisburg (Rheinbahn-Fernlinie D) integriert und als Musterstrecke realisiert werden.

Eine weitere Investition zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse beschließt der Rat 1968: Die behelfsmäßige Oberkasseler Brücke soll durch einen Neubau ersetzt werden. Das „ewige Provisorium über den Rhein“ besteht nun 20 Jahre und behindert den Verkehr für alle Verkehrsteilnehmer schon lange. Baubeginn ist 1971.

Die Dauerbehelfsbrücke ist zu einem Nadelöhr für den Verkehr zwischen den Rheinufern geworden.

Bislang waren Bahnen und Busse ohne Schaffner undenkbar. Nun hat ihr Beruf keine Zukunft mehr. Bis 1973 führt die Rheinbahn den schaffnerlose Betrieb in allen Betriebszweigen ein. Durch den Einbau von Entwertern in ihre Fahrzeuge sollen innerhalb von 4 Jahren rund 400 Schaffner eingespart und zu Fahrern umgeschult werden. Für die wenigen Fahrgäste, die ihren Fahrausweis nicht im Vorverkauf erwerben können, wird der Fahrer diese verkaufen. Am 1. Januar 1968 sind die ersten Entwerter auf den Straßenbahnlinien 1 und 18 und der Buslinie 63 im Einsatz. Am Hauptbahnhof, am Jan-Wellem-Platz und der Haltestelle „Jacobistraße/Tonhallenstraße“ stehen die ersten Fahrscheinautomaten.

Festlich wird es 1968 auf dem „Gründungsgelände“ der Rheinbahn in Oberkassel an der Hansaallee. Der Grundstein für eine neue Hauptverwaltung wird gelegt. Der Neubau auf dem Gelände der ehemaligen „Zentrale“ des Rheinbahn Güterbahnhofs ersetzt das Ludwig-Loewe-Haus am Hauptbahnhof. Durch den Verkauf des wertvollen Grundstücks wird der moderne Verwaltungsbau finanziert. 1970 ziehen die Mitarbeiter in das neue Gebäude.

Um den Kunden auch weiterhin einen Service in der Innenstadt anzubieten, baut die Rheinbahn am Graf-Adolf-Platz ein sechsstöckiges Bürogebäude. Für den Fahrkartenverkauf und das Reisebüro „Rheintourist“ nutzt sie das Erdgeschoss und das erste Obergeschoss.

Hauptverwaltung der Rheinbahn in Oberkassel.

Grundlegend haben sich die Probleme der öffentlichen Verkehrsbetriebe bis Ende der 1960er-Jahre nicht geändert. Im Gegenteil: Kostendruck und Personalprobleme haben sich noch verschärft. Die Personalausgaben der Rheinbahn betragen mittlerweile 70 Prozent der Gesamtausgaben. Die Einführung der Mehrwertsteuer und eine Anhebung der Mineralölsteuer erhöhen die Ausgaben noch. Sinkende Fahrgastzahlen verringern dagegen die Einnahmen.

Informationen zum Autor:

Hans Männel arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Rheinbahn. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichte des Nahverkehrs in der Region. Er ist Vorsitzender der „Linie D – Arbeitsgemeinschaft historischer Nahverkehr Düsseldorf“. Die Mitglieder des Vereins haben das Ziel die Düsseldorfer Verkehrsgeschichte – in enger Zusammenarbeit mit der Rheinbahn – „erfahrbar“ zu erhalten.