Liliputbahnen in Düsseldorf

Zweimal war die Rheinbahn in vergangenen Zeiten Betreiberin von Liliput-Dampfeisenbahnen: 1926 und 1937. Die sechs Lokomotiven sind erstaunlicherweise bis heute erhalten geblieben und im stolzen Alter von 90 bzw. 80 Jahren sogar noch – teils in Sachsen, teils in England – im Einsatz. In Düsseldorf war eine dieser Loks zuletzt 1996 auf der Jubiläumsausstellung „100 Jahre Rheinbahn“ im Ehrenhof zu bewundern.

Eine Liliputbahn ist gerade noch geeignet, Fahrgäste halbwegs komfortabel zu befördern. Die Idee stammt – wie viele Entwicklungen im Eisenbahnbereich – aus England. Hier setzt sich auch für die Spurweite schnell ein Maß von 15 Zoll durch, dieses entspricht 381 Millimetern. Anlässlich der Deutschen Verkehrsausstellung 1925 in München führt die Firma Krauss die ersten drei Lokomotiven einer deutschen Liliput-Bauart vor. Zu jeder Lok gehören zehn vierachsige Personenwagen, teils offen, teils mit Segeltuchverdeck. Ein kompletter Zug ist damit etwas über 70 Meter lang und kann bis zu 160 Erwachsene befördern.

Rheinbahn bestellt Liliputbahnen für die Gesolei
Im Auftrag des Veranstalters der „Großen Ausstellung Düsseldorf 1926 für Gesundheitspflege, soziale Fürsorge und Leibesübungen“, allgemein kurz als „Gesolei“ bezeichnet, bestellt die Rheinbahn im August 1925 die beiden in München eingesetzten Lokomotiven mit je zehn Wagen für 60.000 Reichsmark je Zug und dazu eine neue Lokomotive, ebenfalls mit zehn Wa-gen.

1926 befindet sich Düsseldorf in einer Phase der wirtschaftlichen Blüte. Jetzt werden viele Projekte umgesetzt, um mit der allgemeinen Entwicklung Schritt halten zu können. Im verkehrlichen Bereich sind dies zum Beispiel die Verbreiterung der Oberkasseler Rheinbrücke, die Anlage des Rheinbahn-Fernbahnhofes am Graf-Adolf-Platz und der Ausbau der Düsseldorf-Duisburger Kleinbahn zur Schnellstraßenbahn. In diese Zeit des Aufbruchs fällt die Ausrichtung der Gesolei, vom 8. Mai bis zum 17. Oktober 1926. Das Gelände erstreckt sich vom Bereich Ehrenhof , Tonhalle und Rheinterrasse im Süden bis zur Uerdinger Straße im Norden (heute befindet sich hier die Brückenrampe der Theodor-Heuss-Brücke) auf dem Gebiet des heutigen Rheinparks.

Während die Rheinhalle (Tonhalle), der Ehrenhof und die Rheinterrasse bis heute das Rheinufer nördlich der Oberkasseler Brücke bestimmen, sind alle anderen zur Gesolei errichteten Bauten nur für eine Nutzung während der Ausstellung vorgesehen. Ein zeitgenössischer „Illustrierter Führer“ listet 174 Gebäude und Pavillons auf. So gibt es zum Beispiel einen 44 Meter hohen Feuerwehrturm mit Fahrstuhl und Aussichtsplattform, diverse Musterhäuser sowie ein Wellenbad, genannt „Planschetarium“. Hinter dem Feuerwehrturm befindet sich eine Halle zum Thema „Verkehr und Verkehrsmittel“ mit Ausstellungen der Reichsbahn, der Post und der Rheinbahn. Gesehen haben die Besucher unter anderem den brandneuen Rheinbahn-Speisewagen 1069. Selbstverständlich gehört auch ein kirmesähnlicher Vergnügungspark zum Ausstellungsprogramm. Innerhalb des Ausstellungsgeländes dreht die Liliputbahn ihre Runden. Der Preis für eine Rundfahrt beträgt 1 Mark, wer nur zwei Stationen fahren möchte, zahlt die Hälfte.

Die Ausstellung haben etwa 7,5 Millionen Menschen besucht, davon knapp die Hälfte aus dem Ausland. Insgesamt wird die „Gesolei“ sehr positiv bewertet und hat der Stadt Düsseldorf ein gutes Image beschert. Noch Jahre später erreichen Düsseldorf und die Rheinbahn Anfragen aus anderen Städten, die ebenfalls große Ausstellungen planen, nach Erfahrungen rund um die Veranstaltung allgemein und zur Liliputbahn im Besonderen.

Nach der Gesolei-Ausstellung werden Züge und Anlagen nach Köln weiterverkauft, wo 1928 die Ausstellung „Pressa“ rund um die Themen Kommunikation, Presse und Journalismus abgehalten wird. Anschließend erwirbt die Firma Erich Brangsch aus der Nähe von Leipzig, die eigentlich mit Baumaterialien handelt, die drei Zuggarnituren als Gebrauchtfahrzeuge. Belegt ist, dass Brangsch mit Ausbruch des Zweiten Weltkrieges die drei ehemaligen Rheinbahn-Lokomotiven und die zugehörigen Züge in einem Steinbruch nahe Kamenz bei Leipzig einlagert, wo sie 1950 nahezu unbeschadet geborgen und reaktiviert werden können. Zuerst erfolgt der Einsatz auf der Pionier-Eisenbahn im Großen Garten in Dresden. Bis heute sind zwei Lokomotiven auf dieser inzwischen in „Park-Eisenbahn“ umbenannten Bahn anzutreffen. 1951 nimmt auch die Leipziger Pionier-Eisenbahn den Betrieb auf der Ringstrecke rund um den Auensee auf. Auf ihr versieht die dritte ehemalige Rheinbahn-Lok bis heute ihren Dienst.

Drei weitere Liliputaner
Eine Besonderheit unter den Liliputanern sind drei weitere Lokomotiven, die für die „Große Reichsausstellung Schaffendes Volk“ in Düsseldorf 1937 vorgesehen sind.

Der Haupteingang befindet sich in Höhe der heutigen Haltestelle „Nordpark/Aquazoo”. Damals halten dort die Linien D, 10 und 11. Wer das Ausstellungsgelände am Haupteingang zwischen den monumentalen Skulpturen der „Rossebändiger” hindurch betritt, blickt die mit Fahnen geschmückte Feststraße entlang zur „Neuen Akademie”. Dort steht heute der Aquazoo. Nördlich führt parallel dazu die Gartenachse, die mit ihren Springbrunnen bis heute das Herzstück des Nordparks ist. Unverzichtbar – schon für die Einnahmen – ist wiederum ein Vergnügungspark. Zu den Attraktionen zählen das Juxhaus „Zauberflöte“, ein Zeppelinweltflug und eine Steilwand-Raketenbahn. Wenige Schritte links vom Haupteingang liegt der erste Bahnhof der Liliputbahn. Auffällig ist die großzügige Gestaltung aller Bahnhöfe mit getrennten Bahnsteigen für Ein- und Ausstieg sowie einer Zu- und Abgangssperre. Insgesamt 665.512 Besucher haben während der 163 Öffnungstage das Ausstellungsgelände mit der Liliputbahn erkundet.

Nach dem Ende der Ausstellung „Schaffendes Volk“ werden die Fahrzeuge zunächst bei der Rheinbahn im Betriebshof Heerdt eingelagert. Wie bei ihren Vorgängerinnen gut zehn Jahre zuvor wird Köln die nächste Station im Lebenslauf. Eine für 1940 in Köln geplante Verkehrsausstellung findet jedoch nicht mehr statt, da sich Europa mittlerweile im Kriegszustand befindet. So überdauern die Züge im Betriebshof der Köln-Frechen-Benzelrather Eisenbahn die Wirren des Zweiten Weltkrieges.

Rückkehr zum 100. Geburtstag
In den fünfziger Jahren werden die Bahnen im Deutzer Rheinpark eingesetzt, unter anderem 1957 bei der Bundesgartenschau. Die Lokomotiven werden Anfang der 70er Jahre nach England verkauft. Zwei Lokomotiven finden 1972/73 im Gartenzentrum „Steam & Gardens“ Bressingham eine neue Heimat. Im Jahre 1996 ist von dort für kurze Zeit eine der Krupp-Lokomotiven nach Düsseldorf zurückgekehrt. Anlässlich der großen Ausstellung zur einhundertjährigen Geschichte der Rheinbahn im Ehrenhof vom 4. Mai bis zum 23. Juni hatte das Museum Bressingham die Lok „Männertreu“ leihweise zur Verfügung gestellt. Leider war die Lok zu diesem Zeitpunkt nicht betriebsfähig. Die dritte Lok kommt zur „Romney, Hythe & Dymchurch Railway“ (RH&DR) unweit des Fährhafens Dover, wo sie seit 1976 als Nr. 11 unter dem Namen „Black Prince“ eingesetzt wird.

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Informationen zum Autor:

Wolfgang Sievers wurde 1960 in Düsseldorf geboren. Seit Kindesbeinen ist er dem Düsseldorfer Nahverkehr eng verbunden. So gehört er zu den Gründungsmitgliedern des Vereins Linie D e.V. Auch beruflich beschäftigt er sich mit der Planung von Bus- und Bahnsystemen im In- und Ausland, mittlerweile als Mitarbeiter der BLIC GmbH