125 Jahre Rheinbahn: Es begann mit einer Pferdestärke
Die Rheinbahn feiert 2021 Jubiläum: Seit 125 Jahren ist sie ein wichtiger Motor für Düsseldorf und die Region und prägt deren Geschichte entscheidend mit. Grund genug, um im Laufe des Jahres immer wieder einen Blick auf unsere Historie zu werfen. Alle Beiträge dazu findet Ihr hier.
Im letzten Beitrag ging es darum, welche Bedingungen die Rheinbahn für den Bau der Oberkasseler Brücke erfüllen musste und welche Geschwindigkeit die erste elektrische Schnellbahn Europas hatte.
Die Rheinische Bahngesellschaft, so hießt die Rheinbahn bis 2005, verbindet seit 1898 die Städte und Gemeinden auf der linken Rheinseite mit den rechtrheinischen Stadteilen Düsseldorfs – zuerst Düsseldorf mit Krefeld, 1901 kommen Neuss und Krefeld-Uerdingen und ab 1911 fahren ihre Bahnen bis nach Moers.
Für den öffentlichen Nahverkehr im rechtsrheinischen Düsseldorf ist jedoch die Städtische Straßenbahn zuständig, die den Lokalverkehr in der rasant wachsenden Stadt organisiert. 1850 wohnten in Düsseldorf rund 27.000 Menschen. 1882 wird Düsseldorf Großstadt. 1890 werden 144.642 Einwohner gezählt und 1900 bereits 213.711 Einwohner. Das bedeutet eine Verachtfachung der Einwohnerzahl in nur 50 Jahren! Denn Düsseldorf ist attraktiv: Die Anbindung an das Eisenbahnnetz und der Hafen sind für die Ansiedlung bedeutender Industriebetriebe wichtig. So siedeln sich beispielsweise 1872 die „Actien-Gesellschaft für Lokomotivbau Hohenzollern“, 1873 die Maschinenfabrik „Haniel & Lueg“ und 1878 der Waschmittelhersteller „Henkel & Cie.“ hier an. Arbeitskräfte ziehen nach, neue Wohngebiete entstehen.
Mit der Ausdehnung der Stadt entsteht die Notwendigkeit auch den innerstädtischen Verkehr zu organisieren. Erste private Pferdeomnibusse fahren ab etwa 1840 und stellen Verbindungen zwischen den Düsseldorfer Bahnhöfen, der Altstadt und den Rheinschiffen her. Von 1876 bis 1900 wird dann die Pferdestraßenbahn das wichtigste öffentliche Verkehrsmittel. Der belgische Unternehmer Leopold Boyaert erhält dafür eine Konzession und eröffnet die beiden ersten Linien am 6. Februar 1876. Sie verbinden den Burgplatz mit dem Bergisch-Märkischer-Bahnhof (heute Graf-Adolf-Platz und der Tonhalle (heute Schadowstraße/Tonhallenstraße).
Schnell entstehen weitere Linien. Das wirtschaftliche Ergebnis entspricht jedoch nicht den Erwartungen Boyaerts. Durch die Gründung einer Aktiengesellschaft, der „Société Anonyme des Tramways de Dusseldorf“, versucht er 1879 erfolglos die Finanzierung der Bahn zu verbessern. Die Gesellschaft kann den Forderungen der Stadt, das Pferdebahnnetz weiter auszubauen und auf den neuen „Centralbahnhof“ auszurichten, nicht nachkommen. Der Streit eskaliert und endet mit der Kündigung des Vertrags.
Aufgrund dieser Erfahrungen nimmt die Stadt zukünftig die Infrastruktur des Netzes in eigene Hände. Wilhelm von Tippelskirch, ein Unternehmer aus Koblenz, übernimmt 1882 den Betrieb der Pferdebahn und pachtet die städtische Infrastruktur. Er erweitert das Netz zügig. 377 Pferde ziehen 88 Wagen über das rund 24 Kilometer lange Pferdebahnnetz – zum Zeitpunkt der größten Ausdehnung 1898.
Mit der Vorführung der ersten elektrische Straßenbahn der Welt durch Siemens & Halske in Berlin, ist dann das Ende der Pferdebahnen gekommen. Auch in Düsseldorf beginnt die Diskussion über diese neue Antriebsform. In einer Denkschrift formuliert die Stadtverwaltung die Vorteile einer elektrischen Straßenbahn:
- 25 Prozent höhere Geschwindigkeit
- größere Leistungsfähigkeit in der Bewältigung des ständig steigenden Verkehrs
- geringere Betriebskosten
- höhere Einnahmen durch Fahrgastzuwachs
- bequemes Anfahren, sicheres und schnelles Anhalten
- Schonung und Reinhaltung des Pflasters
Der Aspekt „Schonung der Tiere“ ist nicht erwähnt. Dabei ist aus heutiger Sicht der Einsatz der Pferde eine Quälerei.
Von Tippelskirch baut eine elektrische Straßenbahnstrecke am östlichen Stadtrand mit Anschluss an seine Pferdebahn. Die Eröffnung des ersten Abschnitts Schützenstraße (heute „Wehrhahn S“) – Haniel & Lueg (heute „Schlüterstraße/Arbeitsagentur“) – Rath (heute „Oberrath“) am 16. September 1895 wird zum Fiasko. Ein Oberleitungsmast in der Grafenberger Allee stürzt um, ein Hund wird getötet. Die Bahn wird sofort wieder eingestellt.
Nachdem die Oberleitungsanlage ausgetauscht wurde, folgt die Eröffnung der Strecke am 27. Januar 1896. Die Bahnen fahren auf zwei Strecken von der Schützenstraße über Haniel & Lueg nach Rath (ab 1897 bis Ratingen) oder Grafenberg.
Am 21. Juni 1900 fährt schließlich die letzte Pferdebahn. Am Tag darauf fahren die Düsseldorfer elektrisch. Die Stadt übernimmt nun auch den Betrieb. Rund 23 Millionen Fahrgäste nutzen 1900 die städtische Straßenbahn, die tagsüber auf ihren acht Linien im 5-Minuten-Takt fährt. Erste Vorortbahnen nehmen 1902 ihren Betrieb nach Gerresheim und Eller auf.
Mit dem Ausbau von Straßenbahnnetzen erhoffen sich zahlreiche Investoren ein lukratives Geschäft. So investieren drei weitere Gesellschaften bis 1910 in Verbindungen mit Düsseldorf: Die Bergischen Kleinbahnen bauen 1898/1899 eine Straßenbahnstrecke, die die Schmiedestraße in Oberbilk über Benrath und Hilden mit Wuppertal-Vohwinkel und Solingen-Ohligs verbindet. Das Besondere ist die von der Düsseldorfer Straßenbahn abweichende Spurweite von 1.000 mm. So muss in Oberbilk umständlich und zeitraubend umgestiegen werden. Die Stadt Düsseldorf kauft daher die gesamte Strecke und spurt sie bis nach Benrath noch im Ersten Weltkrieg auf 1.435 mm um. Nun können die Düsseldorfer Bahnen vom Stadtzentrum bis nach Benrath durchfahren.
Auch für reine Verbindung von Düsseldorf über Kaiserswerth nach Duisburg gibt es Bedarf, so dass die beiden Städte Düsseldorf und Duisburg die Düsseldorf-Duisburger Kleinbahn gründen. Diese Bahn fährt ab 1899/1900 von der Kaiserswerther-/Nordstraße nach Duisburg. 1926 wird diese Strecke – nach dem Vorbild der Rheinbahnstrecke nach Krefeld – zur Schnellbahn umgebaut.
Eine dritte Straßenbahngesellschaft entsteht zwischen 1909 und 1910 im Kreis Mettmann und verbindet Orte im Niederbergischen. Endpunkt der Mettmanner Bahnen auf Düsseldorfer Gebiet war ab 1910 „Auf der Hardt“.
Aufsehen erregte die Gesellschaft später aber durch ein in Deutschland völlig neues Verkehrsmittel: Den Oberleitungsbus, der ab 1930 zwischen dem Mettmanner Stadtzentrum und dem Reichsbahnhof Gruiten fährt. 1937 kauft die Stadt Düsseldorf die Kreis Mettmanner Straßenbahn. So kommen neben den Straßenbahnen auch zwei Oberleitungsbusse zur Rheinbahn.
Es existieren also Anfang des 20. Jahrhunderts fünf Straßenbahngesellschaften auf Düsseldorfer Stadtgebiet:
- Städtische Straßenbahn (rechtsrheinisch)
- Rheinische Bahngesellschaft (linksrheinisch)
- Bergischen Kleinbahnen (nach Vohwinkel und Ohligs)
- Düsseldorf-Duisburger Kleinbahn (nach Duisburg)
- Kreis Mettmanner Straßenbahn (nach Mettmann und weiter nach Tönisheide und Vohwinkel)
Wie die Zeit des Ersten Weltkriegs für die Rheinbahn war, erfahrt Ihr in zwei Wochen hier im Blog.
Informationen zum Autor:
Hans Männel arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Rheinbahn. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichte der Nahverkehrs in der Region. Er ist Vorsitzender der „Linie D – Arbeitsgemeinschaft historischer Nahverkehr Düsseldorf“. Die Mitglieder des Vereins haben das Ziel die Düsseldorfer Verkehrsgeschichte – in enger Zusammenarbeit mit der Rheinbahn – „erfahrbar“ zu erhalten.
Vielen dank fúer diese Informationen. Meine Grossvater war einer der Hollaendische Fremdarbeiter in 1942 die bei der Rheinbahn gearbeietet hat. Wir dachten frúher das er nach Berlin gefahren ist, aber seit kurzem gesehen in Niederlaendische Unterlagen das er hier bij dieser Gesselschaft gearbeitet hat. Wir haben sogar noch ein Foto von ihm mit Uniform. Wir sind sehr Interessiert wie sein Leben in Dússeldorf ausgesehen hat. Wissen Sie vielleicht wo wir Unterlagen finden kónnen? (Entschuldige fúr mein schlechtes Deutsch). Mfg, Mark Justus.
Hallo Mark,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Leider besitzen wir keine Unterlagen, die das Leben Ihres Großvaters in Düsseldorf und seine Arbeit bei der Rheinbahn aufklären könnten. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs sind leider viele Dokumente, z. B. auch Personalunterlagen, vernichtet worden.
Das Düsseldorfer Stadtarchiv hat das Schicksal von Fremdarbeitern in Düsseldorf erforscht. Bei vielen Düsseldorfer Betrieben wurden ausländische Arbeitskräfte in den Kriegsjahren beschäftigt. Vielleicht kann man Ihnen dort weiterhelfen. Kontakt: stadtarchiv@duesseldorf.de
Über dieses Thema wurde auch ein Buch herausgegeben:
Clemens von Looz-Corswarem, Zwangsarbeit in Düsseldorf, Klartext Verlag Essen, 2002, ISBN 3-89861-112-4
Auch wir sind sehr bemüht, noch Einzelheiten über die bei uns beschäftigten Fremdarbeiter zu erfahren. Daher würde uns das Foto Ihres Großvaters interessieren. Sollten Sie noch weitere Dokumente in Verbindung zur Rheinbahn besitzen oder noch erhalten, würden wir uns freuen, wenn Sie uns diese ebenfalls zeigen würden.
Viele Grüße
Annika