Warum kostet ein Hochbahnsteig eigentlich so viel?

Warum kostet ein Hochbahnsteig eigentlich so viel Geld wie eine Villa in Meerbusch? Wieso ist behindertengerechte Infrastruktur überhaupt so teuer? Wäre es nicht einfacher, wenn nur noch Bahnen ohne Stufen fahren würden? Diese Fragen hören wir immer wieder, wenn wir einen Hochbahnsteig bauen oder eröffnen.

Rückblick
Um zu verstehen, wofür Hochbahnsteige überhaupt nötig sind, blicken wir mal weit zurück: Schon in den 1960er Jahren entstand die Idee, die Straßenbahnlinien in den Innenstädten des Rhein-Ruhr-Gebiets in den Untergrund zu verlegen und ein einheitliches Stadtbahnsystem zu etablieren, als Gegenpol zu dem ständig wachsenden Autoverkehr. Im Jahr 1972 gründete Düsseldorf gemeinsam mit Bochum, Dortmund, Duisburg, Essen, Mülheim und Oberhausen die Stadtbahngesellschaft Rhein-Ruhr. Deren Ziel war es, eine Kombi aus Straßenbahn und U-Bahn zu realisieren, die schnell und zuverlässig sein und in allen Städten auf Grundlage einheitlicher Standards entstehen sollte.

Hoch- und Niederflur
Tunnel, Bahnen und Bahnsteige wurden in den folgenden Jahrzehnten unter diesen Gesichtspunkten geplant, bestellt und gebaut. Es entstand ein System, das auf Stadtbahnen mit klappbaren Stufen setzte. Der Vorteil ist, dass sie besonders stabil sind und auf entsprechend ausgebauten Strecken schneller fahren können als Straßenbahnen. Ursprünglich sollten diese Bahnen die gesamte Region an Rhein und Ruhr vernetzen. Diese Rolle wurde aber im Laufe der Zeit überholt und von den S-Bahnen übernommen. In vielen Städten, wie Düsseldorf, Duisburg und Köln, sind jedoch die gesamte aufwändige Infrastruktur und die sogenannten Hochflurbahnen geblieben. Diese können im Tunnel niveaugleich an den Bahnsteigen halten, an der Oberfläche klappen sie die Stufen aus. Damals, zur Zeit der Gründung der Stadtbahngesellschaft, spielten die Bedürfnisse behinderter und in der Mobilität eingeschränkter Menschen leider noch keine große Rolle. Als sich später das Bewusstsein dafür änderte, fingen die Verkehrsunternehmen an, Hochbahnsteige zu bauen, um ihnen auch an der Oberfläche ein bequemes Einsteigen zu ermöglichen.

Aktuell ist im Personenbeförderungsgesetz verankert, dass die Aufgabenträger (Städte und Gemeinden) festlegen müssen, wie der barrierefreie Ausbau in den kommenden Jahren gestaltet wird. Ziel ist es, bis 2022 einen hohen Grad der Barrierefreiheit zu erreichen – das ist auch das übergeordnete Ziel für die Rheinbahn.

Laut Personenbeförderungsgesetz sind Ausnahmen konkret zu begründen. Das heißt, die Anpassungen und Umbauten müssen ökonomisch leistbar sein und die finanziellen und technischen Möglichkeiten abgewogen werden. Daher ist jeder Hochbahnsteig eine Entscheidung, die durch viele Instanzen geht und letztendlich im Nahverkehrsplan verankert wird. 30 Hochbahnsteige hat die Rheinbahn bereits ausgebaut, weitere 28 sind geplant. Einige, wie „Alt Eller“ oder „Am Hackenbruch“, sind jedoch baulich nicht umsetzbar – da käme kein Auto mehr durch.

Prioritätenliste
Um das Ziel der Barrierefreiheit zu erreichen, arbeitet unsere Abteilung „Planung Verkehrsanlagen“ mit Hochdruck: „Zwei bis drei Hochbahnsteige schaffen wir pro Jahr“, berichtet Abteilungsleiter Dr. Andreas Ferlic. „Früher hat man versucht, eine Linie komplett auszubauen. Heute setzen wir unsere Prioritäten nach dem Verkehrswert der Haltestellen. Darin fließen Fragen ein wie: Wie viele Ein- und Aussteiger gibt es an dieser Haltestelle? Sind Altenheime oder Krankenhäuser in der Nähe? Manche Bahnsteige sind leichter umzusetzen, andere aufwändiger.“

Aktuell bauen wir gerade am Nikolaus-Kopp-Platz in Heerdt einen neuen Hochbahnsteig. Hier werden die beiden Bahnsteige zu einem Mittelbahnsteig zusammengefasst und der Platz mitgestaltet – daher ist der Aufwand relativ groß. Noch anspruchsvoller wird zum Beispiel die Haltestelle „Belsenplatz“, weil hier sehr viele Linien halten. Die Haltestelle „Löricker Straße“ dagegen ist vergleichsweise einfach umzusetzen. Die nächsten Bahnsteige, die wir anpacken, sind die Haltestellen „Lierenfeld Betriebshof“ und „Luegplatz“ – hier ist wiederum der große Andrang zur Kirmes mit einzuplanen. So ist jeder Bahnsteig individuell und von den Kosten her unterschiedlich- Aber der Aufwand lohnt sich: Nicht nur wegen der Barrierefreiheit, auch für den Betrieb sind Hochbahnsteige wichtig. Dadurch, dass die Bahnen die Stufen nicht ausklappen müssen, steigen die Fahrgäste schneller ein und aus, die Bahnen kommen rascher voran. Auch technische Störungen an den Türen und den Stufen sind seltener, dadurch haben wir weniger Ausfälle.

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Kosten am Beispiel „Dominikus-Krankenhaus“
Aber zurück zu den Kosten: Die hohen Summen verursachen nicht nur die Bahnsteige an sich. Beleuchtung, Ampeln, Wartehäuschen, Geländer, dynamische Fahrgastanlagen, Kameraüberwachung sind ein Teil der Kosten. Hinzu kommen Umbauten für Gleise und Fahrleitungen, die natürlich auch Geld kosten. Oft müssen wir auch die Straßen, Geh- und Fahrradwege mit einbeziehen oder im Vorfeld sehr aufwändig Leitungen für Telefon, Gas, Wasser, Strom und so weiter verlegen. Als Beispiel haben wir mal die Hochbahnsteige „Dominikus-Krankenhaus“ aufgegriffen – die Haltestelle liegt zudem in einer Kurve, dadurch war auch die Planung sehr aufwändig. Die Summen haben wir aus Wettbewerbsgründen gerundet, aber sie vermitteln einen guten Eindruck der Aufteilung der Baukosten:

Der barrierefreie Ausbau wird durch den Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen gefördert  – im Schnitt sind das rund 60 Prozent der Kosten. Zur Bausumme kommen noch etwa 20 bis 24 Prozent für Planung, Projektleitung, Bauüberwachung, Gutachten und Vermessungsleistungen hinzu – diese und den restlichen Anteil trägt die Rheinbahn. Denn für uns sind nicht nur wirtschaftliche Aspekte wichtig: So achten wir zum Beispiel auch auf eine filigrane Bauweise, die nicht so klotzig wirkt und sich gut ins Stadtbild einfügt. Bei den Geländern entscheiden wir uns für Edelstahl, der zwar in der Anschaffung teurer ist, dafür aber weniger gewartet werden muss und länger hält. Bei den Wartehäuschen setzen wir auf Transparenz, um das Sicherheitsgefühl zu erhöhen. Für all das investiert die Rheinbahn also Jahr für Jahr Millionen!