Hightech-Oldie für gute Gleise

Habt Ihr sie auch gesehen? Unsere Oldie-Bahn 2965, die Mitte August vollgestopft mit modernster Technik in der Stadt unterwegs war? Besonders platt waren einige von Euch wahrscheinlich, als das aufgemotzte Schätzchen plötzlich durch den U-Bahnhof „Heinrich-Heine-Allee“ oder den Wehrhahntunnel gerauscht ist. Normalerweise kommen unsere Oldies da ja auch nicht hin. Für unseren 2965 hatten wir in diesem Sommer aber einen ganz speziellen Job: Als Messzug hat der Wagen einen Großteil unseres Gleisnetzes und der Oberleitungen überprüft – von Benrath bis Duisburg und von Gerresheim bis Krefeld. Aber wie funktioniert das und warum ist das wichtig?

Als ich an einem heißen Sommerabend gegen 19:30 Uhr in unserer Werkstatt in Lierenfeld auftauche, ist Rainer Peters – Ingenieur von der Firma Deutzer, die die Messtechnik mitgebracht hat und die Messungen begleitet – schon abgetaucht. Unter der Bahn checkt er alles, was sein Kollege und er in den letzten beiden Tagen an unserem Oldie angebracht haben: Kameras, Laser, Sender, LED-Strahler – also alles, was hilft, so viele Daten wie möglich über den Zustand unseres Gleis- und Oberleitungsnetzes zu sammeln. Da, wo eigentlich die Fahrgäste Platz nehmen, laufen jetzt unzählige Kabel zusammen. Sie kommen durch die Fenster vom Dach und durch Klappen im Boden und treffen sich in einer Wand aus Bildschirmen, die Rainer über den Sitzreihen aufgebaut hat. Das sieht selbst von außen betrachtet ziemlich spacig aus. Manche Bildschirme zeigen bunte Messkurven, auf anderen haben die Jungs den Stromabnehmer auf dem Dach oder die Räder unter dem Boden im Blick. „Wenn unsere Messinstrumente während der Fahrt plötzlich keine Daten mehr liefern, dann können wir so schon auf den ersten Blick sehen, ob sich vielleicht einfach nur eine Tüte unter der Bahn verfangen hat und die Instrumente stört“, erklärt Rainer. Der Mann spricht aus Erfahrung – seine Kollegen und er sind mit ihrer Ausrüstung bei Verkehrsbetrieben auf der ganzen Welt unterwegs. Sogar nach Melbourne in Australien hat es ihn schon verschlagen.

Messzug Bildschirmwand

Messzug setzt sich in Bewegung

Kurze Zeit später setzt sich unser Messzug langsam in Richtung Gerresheim und Volmerswerth in Bewegung. In dieser Nacht werde ich mit dem Team über 100 Kilometer zurücklegen und vermessen. Insgesamt fährt die Bahn alle zwei Jahre etwa 300 Kilometer Gleise und mehr als 500 Weichen und Gleiskreuze ab. Während sie rollt, erfassen Laser unter dem Fahrzeug ganz genau die Tiefen und Weiten der Schienen und die Kontur des Schienenkopfs, das ist der Teil der Schienen, auf denen die Räder rollen. Für Matthias Kienert aus unserem technischen Büro für Gleisanlagen sind diese Informationen bei der Auswertung in Zusammenarbeit mit unserem Team Bahnmeisterei Gold wert. Anhand der gesammelten Daten kann man später im Büro ganz genau sehen, an welchen Stellen sich die Gleise zum Beispiel wie stark abnutzen oder wo sie uneben sind. Dank der Kamerabilder sieht er aber auch, ob auf den ersten Blick auffällige Messdaten etwa nur entstanden sind, weil hohes Gras im Gleisbett die Messwerte verfälscht hat. Wenn Matthias in der Auswertung tatsächlich unebene Stellen entdeckt, dann kann er diese Informationen an die verschiedenen Teams weiterleiten, die sich um die Instandsetzung kümmern. So gibt es bei der Rheinbahn Teams, die sich um Gleise, Oberleitungen, Weichen und Kreuzungen und um das Schweißen kümmern. Dank solcher vorbeugenden Maßnahmen halten unsere Gleise dann deutlich länger.

Messzug Laserstrahl

„In unserem Tunnel zwischen dem Hauptbahnhof und der Heinrich-Heine-Allee halten die Gleise bis zu 30 Jahre. Dort konnten wir sie, einfach ausgedrückt, so ideal verlegen, dass wir kaum Verschleiß haben, weil sich die Kräfte der Bahnen während der Fahrt perfekt verteilen“, erklärt Matthias. Ihr merkt das daran, dass sich die Bahnen während der Fahrt regelrecht „in die Kurve legen“, weil eine Schiene merklich höher liegt – was im Asphalt der Straße so nur bedingt möglich ist. Im Gleisbau ist also nichts dem Zufall überlassen, sondern alles genau berechnet und geprüft, damit unsere Bahnen möglichst lange ohne größere Gleisbaustellen fahren können.

Natürlich haben wir bei der Rheinbahn auch Streckeninspekteure, die unser Streckennetz das ganze Jahr über kontrollieren und in Ordnung halten. Der große Vorteil der Oldie-Bahn ist aber, dass sie den Zustand unter voller Last misst. Und für diese Bahn haben sich die Techniker auch ganz bewusst entschieden: Unter der Bahn ist schlicht genug Platz für die Technik und außerdem ist der Wagen so schmal, dass er ohne Probleme auf allen Strecken fahren kann.

Oldie im Tunnel unterwegs

Während unser 2965 fleißig durch Düsseldorf fährt, hat sich mittlerweile Dunkelheit über die Stadt gelegt. Da fällt es bei der Mitfahrt kaum auf, dass die Oldie-Bahn plötzlich in den Tunnel in Oberbilk einfährt und die Röhre sie erst wieder am Kennedydamm „ausspuckt“. Normalerweise lassen sich hier unten nur unsere Stadtbahnen blicken und deshalb erntet das Gefährt auch viele verdutzte Blicke, als es durch die Stationen bimmelt. Auch für unseren Fahrer David Zieren ist das ein ganz besonderes Erlebnis. Er hat die Routen so vorbereitet, dass wir innerhalb von kürzester Zeit alle Strecken so effizient wie möglich abfahren können. David ist nebenbei auch noch begeistertes Mitglied im Verein „Linie D“, der die Düsseldorfer Nahverkehrsgeschichte am Leben hält.

Messzug im Wehrhahntunnel

Auf nach Duisburg

Hinter dem Freiligrathplatz gibt die Bahn alles und rauscht über die Felder bis zum Betriebshof Grunewald in Duisburg. Was muss das für ein Anblick von außen sein – denn der Stromabnehmer auf dem Dach ist hell angestrahlt, an den Rädern quillt das Licht hervor und dann schimmert auch noch das warme Licht der Innenbeleuchtung in die Dunkelheit. Dank einer Infrarotkamera an der Front haben die Jungs an den Überwachungsbildschirmen nicht nur die Strecke im Blick, sondern auch, wie wir die Stadtgrenze passieren, später in Duisburg umdrehen und durch die Nacht zurückfahren.
Nach Duisburg kommt der Messzug frühestens in zwei Jahren wieder, wenn die nächste Befahrung ansteht. „So können wir generell viele neue Erkenntnisse gewinnen, wie sich Gleise im Laufe der Jahre abnutzen“, sagt Matthias Kienert aus unserem technischen Büro für Gleisanlagen, während er die Duisburger Strecke auf seinem großen Netzplan zufrieden als „vermessen“ markiert.

Messzug in Duisburg
Messzug beleuchteter Stromabnehmer

Am frühen Morgen um 4 Uhr kommen wir wieder im Betriebshof in Lierenfeld an. Der Oldie hat erstmal Feierabend und muss erst am nächsten Abend wieder ran. Danach wird die Technik ausgebaut und Rainer Peters nimmt sie wieder mit in die nächste Stadt. Vielleicht am anderen Ende der Welt. Für Matthias Kienert und die Bahnmeisterei geht die Arbeit jetzt erst richtig los, damit Ihr jederzeit schnell und sicher mit uns an Euer Ziel kommt!

Messzug Stromabnehmer
Christian Lücker

Informationen zum Autor:

Christian Lücker ist Journalist, hat für verschiedene Radiosender und Magazine gearbeitet und ist jetzt im Marketing der Rheinbahn tätig. Denn alles rund um die Schiene begeistert ihn seit 20 Jahren – deshalb hat er über den Verein „Linie D“ auch einen „Straßenbahn-Führerschein“ bei der Rheinbahn gemacht und fährt unsere Bahnen leidenschaftlich vom Oldie bis zum Silberpfeil.