Ein Tag im Leben einer Bahn
Meine Schienen sind mein Pflaster, der Betriebshof meine Heimat. Mein stabiler Körper wiegt rund 35 Tonnen. Ich bin eine Bahn der Rheinbahn und heute berichte ich aus meinem Alltag.
4:30 Uhr in der Früh. Müdigkeit? Die kenne ich nicht. Seit Jahren verrichte ich nun treu meinen Dienst und habe dabei schon viel gesehen und erlebt. Wie ein alter Freund begrüßt mich morgens der Straßenbahnfahrer. Schließlich kennen wir uns schon lange. Manche Fahrer arbeiten schon über 40 Jahre bei der Rheinbahn. 5:04 Uhr. Ich habe Ausfahrt aus dem Betriebshof Lierenfeld. Pünktlich muss ich sein. Die Fahrgäste warten und der Berufsverkehr beginnt bereits.
Das Wetter wird heute sonnig, die Fahrbahn ist frei. Das sind gute Voraussetzungen für einen ruhigen Arbeitstag. Die Erfahrungen der letzten Jahre haben gezeigt, dass unverhoffte Herbstschauer, viel Laub oder rasch eintretender Schneefall die Lage für mich drastisch verschlimmern können. Leider kann es dadurch zu Verspätungen kommen, nicht nur, weil meine Fahrt beschwerlicher wird, sondern auch, weil der unberechenbare Straßenverkehr mir Probleme bereitet. Auch unabhängig vom Wetter muss ich häufig warten, weil Autos oder LKWs in der zweiten Reihe parken oder fahrlässig in mein Gleisbett fahren. So in Eile bedenken die Fahrer meistens nicht, dass wir Straßen- und Stadtbahnen gemeinsam mit den Bussen täglich 740.000 Fahrgäste in einem Einzugsgebiet von 570 Quadratkilometern transportieren müssen. Diese Unachtsamkeit führt bei uns zu Verspätungen.
Warum mir vorne ein Stück Folie fehlt
Am Schlimmsten sind natürlich Unfälle. Mein Bremsweg ist länger als der anderer Fahrzeuge. Auch wenn mein Fahrer schnell reagiert, sind Kollisionen zum Beispiel mit Linksabiegern manchmal nicht zu verhindern. So kommt es, dass meine Front vorne links ausgetauscht werden musste. Obwohl die Werkstatt viel Mühe und Sorgfalt in mich investiert, dauert es sehr lange, um meinen Originalzustand wieder herzustellen. Zwar ist der Unfallschaden behoben. Doch meine auffällige Folierung ist noch nicht erneuert.
Der erste Fahrerwechsel ist am heutigen Tag um kurz nach 8 Uhr. Mein Fahrer hat nun eine Ruhezeit und fährt danach mit einer anderen Bahn weiter. Ich jedoch brauche keine Pausen. Unermüdlich schlängele ich mich durch den dichten Verkehr, bringe die Kinder zur Schule, ihre Eltern zur Arbeit und Rentner zum Arzttermin. Generationen von Fahrgästen sind mit mir groß geworden und sehen mich als ein Teil ihrer Heimat. Ich kenne die Stadt, die Menschen und ihre Geschichten. Schließlich legen wir Fahrzeuge von der Rheinbahn täglich 145.900 Kilometer zurück. Theoretisch umrunden wird also jeden Tag fast viermal die Erde!
Um in Zukunft noch mehr Fahrgäste schneller und sicherer an ihr Ziel zu bringen, kann ich seit kurzer Zeit die Wehrhahnlinie nutzen. Die Tunnel erleichtern uns Bahnen die Wege und beschleunigen den oberirdischen Verkehrsfluss.
Ab der Mittagszeit wird es wieder voller. Fahrräder und Kinderwagen drängen sich. Richtig und sicher abgestellt, biete ich ihnen genügend Platz. 20 Prozent der rund eine Millionen Menschen meines Bedienungsgebiets, also jeder fünfte Einwohner, besitzt ein Abonnement der Rheinbahn. Für diese Fahrgäste fahre ich täglich wie selbstverständlich. Nachmittags bringe ich sie von ihrer Arbeitsstelle oder den Schulen nach Hause.
Im dichten Gewühl der Stadt muss ich auch heute die Unachtsamkeit anderer Verkehrsteilnehmer in Kauf nehmen. Meine Strecke wird von einem Falschparker blockiert. Während die Bahn vor mir warten muss, weil sie den Parkenden nicht umfahren kann, leitet mich die Leitstelle über eine andere Strecke um. Das ärgert nicht nur die Fahrgäste, sondern auch mich. Verspätungen lassen sich kaum aufholen, weil der Fahrplan wenig Zeit für Verzögerungen lässt.
Auch in ihrer Freizeit begleite ich die Menschen. Am Wochenende kommen sie sicher und ohne Parkplatzsorgen mit mir in die Altstadt oder meinen Kollegen zum Fußballspiel der Fortuna. Da wird es nicht nur für die Fahrgäste, sondern auch für mich abends manchmal später. Doch erschöpft bin ich nie. Das dürfen wir, die 310 Straßen- und Stadtbahnen der Rheinbahn, auch nicht sein, weil wir täglich auf einem Streckennetz von 153,7 km Länge unterwegs sind. Verlässlich und treu bewahre ich auch in Notsituationen die Ruhe. Ich warte, wenn sich im Gedrängel meine Türen nicht schließen können oder klingele, falls eine Gefahrensituation droht.
Endlich Feierabend!
Nachts um 1:13 Uhr fahre ich wieder in den Betriebshof ein. Nachdem mein Fahrer mich in der Halle auf dem Betriebshof abgestellt hat und selbst nach Hause geht, ist der Tag für mich noch nicht vorbei. Der Nachtrangierer kommt mich abholen, um mich wieder für den nächsten Tag vorzubereiten. Zuerst wird geprüft, ob ich auch weiterhin sicher bin. So werden beispielsweise die Beleuchtungsanlagen kontrolliert. Danach beginnt meine tägliche Wartung. Ich werde von innen geputzt. Mein Bremssand wird aufgefüllt, der mir bei meiner nächsten Fahrt das Bremsen auf rutschiger Strecke erleichtert. Vergessener Müll wird entsorgt und Sitzpolster werden ausgetaucht, wenn sie von Kaugummis, süßen Getränken oder fettigem Essen verklebt sind. Sollte ich auch von außen besonders verschmutzt sein, so fahre ich abschließend noch in die Waschanlage. Erst dann werde ich endgültig in der Halle abgestellt. Dort erfahre ich, zu welcher Linie ich morgen werde und welchen Streckenkurs ich fahren muss, bevor ich in meinen wohlverdienten Feierabend gehe. Denn schon in knapp zwei Stunden werde ich mich wieder auf den Weg machen, um treuen Dienst für die Kunden der Rheinbahn zu leisten.
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