Tankstelle für Bahnen

Wo kommt eigentlich der Strom für unsere Straßen- und Stadtbahnen her? Klar: Er kommt nicht einfach aus der Steckdose! Für über 300 Bahnen, mit denen wir jeden Tag zehntausende Fahrgäste sicher an ihr Ziel bringen und Düsseldorfs Straßen umweltfreundlich entlasten, brauchen wir dann doch schon ein bisschen mehr „Saft“!

Unsere Bahnen versorgen wir deshalb mit Strom aus den sogenannten Unterwerken. 57 dieser Energiezentralen speisen, über das ganze Stadtgebiet verteilt, Strom in die Fahrleitung unserer Bahnen. Sie sind sozusagen die Tankstellen für unsere Bahnen! Um zu erklären, wie ein Unterwerk funktioniert, tauchen wir zusammen ab, unter den Luegplatz in Oberkassel. Dort schlummert nämlich ein kleines Rheinbahn-Geheimnis: Eines unserer größten und gleichzeitig unser jüngstes Unterwerk! Von außen ist es kaum zu sehen. Nur eine kleine Luke auf dem Grünstreifen neben der Fahrbahn in Richtung Oberkasseler Brücke verrät, dass unter dem Luegplatz irgendetwas vor sich geht. Diese Luke lässt sich aufklappen und ebnet den Weg in eine sonst völlig verborgene Welt. Das Unterwerk ist gerade mal 90 Quadratmeter groß, hat also etwa die Größe einer Wohnung. Aber es ist mit zwei Kilometern Kabeln, etlichen Schaltschränken und zwei riesigen Transformatoren so leistungsfähig, dass wir damit unsere Stadtbahnen auf dem Abschnitt von der Altstadt bis nach Neuss und Krefeld mit Strom versorgen können.

Wie beim Auto: Die Bahn verträgt nicht jeden Strom

Und das geht so: Wir bekommen von den Stadtwerken Düsseldorf 10.000 Volt starken Wechselstrom angeliefert, den wir mit Hilfe der beiden Transformatoren in 720 Volt-Gleichstrom umwandeln. Denn genauso wie nicht jedes Auto Diesel oder Benzin verträgt, vertragen unsere Bahnen auch nicht jede Art von Strom. Durch Erdkabel verlässt der umgewandelte Strom das Unterwerk und wird in die Fahrleitung gespeist, aus der ihn die Bahnen aufnehmen können.

Den Trafos im Unterwerk sollte man übrigens auf keinen Fall zu nahe kommen, denn die Spannung ist so hoch, dass man die Geräte nicht einmal berühren muss, um einen tödlichen Stromschlag zu bekommen. Wenn die Bahnen der Linien U70 und U74 bis U77 Strom beim Anfahren „ziehen“, dann surren die Trafos fast schon bedrohlich laut. Sie sind also von sich aus schon so respekteinflößend, dass sich ihnen wohl niemand freiwillig nähern würde. Das geht nur, wenn die Trafos zur Wartung abgeschaltet sind. Dann kommt Thomas Wimmer aus dem „Technischen Büro Fahrleitungsanlage“ ins Spiel. Er kümmert sich zusammen mit seinen Kollegen um die Unterwerke im ganzen Stadtgebiet. Aber das Unterwerk am Luegplatz ist sein „Baby“, denn er hat den Bau über Jahre geplant und begleitet. „Es ist selten, dass wir ein neues Unterwerk bauen müssen. Aber das alte Gebäude am Rheinbahnhaus war in die Jahre gekommen, das Grundstück wird verkauft. Deshalb haben wir lange nach einem geeigneten Standort für ein neues Unterwerk gesucht. Unterwerk bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass es unterirdisch gebaut werden muss, aber in dem Fall war das für uns die perfekte Lösung.“ Denn so liegt die „Straßenbahn-Tankstelle“ zentral, ohne dabei jemanden zu stören. Und wo heute unsere Transformatoren surren, hat es der eine oder andere Düsseldorfer früher vielleicht schon mal plätschern hören.

Aus verwunschener Toilette wird ein modernes Unterwerk

Die Fläche unter dem Luegplatz war nämlich vor vielen Jahrzehnten mal eine öffentliche Toilette, die nach ihrer aktiven Zeit rund zwanzig Jahre lang völlig vergessen vor sich hin schlummerte. Bis Thomas Wimmer und sein Team kamen. „Das hatte schon was von Horrorfilm da unten. Die Farbe ist im Laufe der Jahre von den Wänden geplatzt, überall waren Spinnweben und wir hatten gleichzeitig das Gefühl, dass die Zeit hier stehen geblieben ist“. Schnell war klar: Da ist nichts mehr zu retten! Die Räume mussten aufwändig abgetragen und neu errichtet werden. Beim Neubau des Unterwerks konnten wir allerdings nicht einfach drauf los bauen. Unsere „Nachbarn“ sind nämlich die Stadtwerke Düsseldorf, die von einer unterirdischen Zentrale aus unter anderem auch die Rheinkirmes mit Strom versorgen. Während der Kirmeszeit mussten wir also so weit sein, dass keine Baugrube den Bereich um die „Kirmes-Haltestelle“ Luegplatz stört und auch nicht die Gefahr besteht, dass eine wichtige Stromleitung durchtrennt wird. Dann wären auf der Rheinkirmes im schlimmsten Fall alle Lichter ausgegangen. Aber: Der Bau hat reibungslos geklappt. Seit Herbst 2016 liefert das Unterwerk zuverlässig den Strom, der unsere Bahnen fahren lässt.

Nur zwischendurch gibt es im Gebäude immer mal wieder einen markerschütternden Knall. Der klingt aber schlimmer als er ist. „Hier ist gerade nur eine Sicherung rausgeflogen. Das ist wie zuhause, nur ist diese hier viel, viel größer und dadurch auch sehr viel lauter“, sagt Thomas Wimmer. Eine dieser riesigen Sicherungen fliegt raus, wenn ein Bahnfahrer seinen Zug an einer Einspeisestelle beschleunigt. An dieser Stelle ist die Fahrleitung nämlich in zwei Abschnitte getrennt. Zieht der Bügel der Bahn, der sogenannte Stromabnehmer, dort Strom, besteht für ganz kurze Zeit eine Überspannung zwischen den beiden Abschnitten in der Fahrleitung. Das Unterwerk merkt das – und um Schäden durch Überspannung zu verhindern, fliegt die Sicherung vorsichtshalber raus. Sie legt sich auch automatisch wieder ein und Auswirkungen auf den Bahnbetrieb hat das nicht. Die Geräusche im Unterwerk sind für Thomas Wimmer übrigens so etwas wie Musik im Ohr: „Ich habe mich so lange mit der Planung und dem Bau hier beschäftigt. Eigentlich darf ich das gar nicht erzählen, weil das ziemlich verrückt klingt. Aber als endlich alles fertig war, habe ich mich einfach mal hier rein gesetzt und dem Surren der Trafos gelauscht.“