Fit für den Ernstfall

Ein ganz normaler Arbeitstag: Die Feuerwehr Düsseldorf wird zu einem Einsatz im Wehrhahntunnel gerufen. Über Funk erhält sie die Nachricht, dass eine Person unter die Bahn geraten ist. Jetzt geht es um jede Minute. Am Unfallort angekommen, laden sie so schnell sie können das nötige Werkzeug aus. Dabei ist Teamwork gefragt. Jeder Handgriff muss sitzen, jeder Mann muss auf seine Position. Ein Trupp arbeitet auf der einen Seite, ein Trupp auf der anderen. Konzentriert aber zügig heben sie die tonnenschwere Bahn mittels einer speziellen Technik an, um das Unfallopfer unter der Bahn hervorziehen zu können. Jetzt kann die eingeklemmte Person gerettet werden.

Alles nur simuliert
Damit eine Personenrettung im Ernstfall auch genauso schnell und routiniert abläuft, übt die Feuerwehr in Zusammenarbeit mit der Rheinbahn diese Situation regelmäßig. Aber wie rettet man eine Person, die unter einer mehr als 35 Tonnen schweren Bahn liegt – und noch dazu in einem U-Bahntunnel?

Die Rheinbahn hat auf dem Lierenfelder Betriebshof einen eigens dafür angelegten Bahnsteig gebaut. Sozusagen ein kleiner Feuerwehr-Übungsbahnhof, der die Gleisanlage im Wehrhahntunnel vom Gleisbett und der Höhe der Bahnsteigkante her imitiert.

So eine Niederflurbahn anzuheben braucht Übung und vor allem das richtige Werkzeug. Damit das Wissen und die Handgriffe immer präsent bleiben, trainieren die Feuerwehrleute einmal jährlich dafür. Warum die Rheinbahn nicht einfach im Tunnel übt, erklärt Ferdinand Caspers, zuständiger Leiter der Übung und Rheinbahnmitarbeiter aus der Zentralwerkstatt Heerdt: „Aufgrund des Betriebs im Tunnel und der Nachtruhe können wir direkt vor Ort nur selten üben. In Lierenfeld ist es nun möglich, praxisnah und in Ruhe zu arbeiten, deswegen haben wir hier sechs Meter Bahnsteig nachgebaut, identisch wie unten.“ Mit „unten“ meint Caspers den Tunnel der neuen Wehrhahnlinie, denn in diesem fahren Niederflurbahnen und diese müssen anders angehoben werden, als die hochflurigen Stadtbahnen, die im alten Tunnel rund um den Hauptbahnhof fahren.

Übungssache
Wie gewissenhaft die Düsseldorfer Feuerwehr bei der Simulation vorgeht, merkt man spätestens beim Zuschauen: Das ist nur eine Übung, es ist ziemlich warm und trotzdem stehen die Feuerwehrleute hier in voller Montur. Warum? Um die Situation so realistisch wie möglich zu simulieren und unter den gleichen Bedingungen zu üben, wie es auch bei einer wirklichen Rettung der Fall wäre.

Die Feuerwehrmänner versammeln sich also mit Helm und schwerem Anzug um Ferdinand Caspers und lassen sich die Hebetechnik für die Bahnen im Wehrhahntunnel erklären.

Die erste Herausforderung ist das Anheben des Wagenkastens. Die seitlichen Schürzen links und rechts, die den Wagenkasten der Bahnen verdecken, stoßen beim Öffnen gegen die Bahnsteigkante. Um das Triebfahrwerk zu heben, müssen diese also zunächst nach oben geklappt werden. Ferdinand Caspers weist die Männer an, daher einen dritten Hydraulikheber zu benutzen.

Fast wie ein Technikseminar
Beim weiteren Zusehen und Zuhören erinnert alles eher an ein Seminar in Fahrzeugtechnik als an einen Feuerwehreinsatz. Da fallen Wörter wie „Schwellenverbinder“, „Traverse“ und „Speckscheibe“. Es ist erstaunlich, was die Einsatzkräfte alles wissen müssen, bevor sie überhaupt anfangen können, die Person unter einer Bahn zu bergen.

Einer der Feuerwehrmänner zieht jetzt die Klappe so nah wie möglich zur Bahnsteigkante, um dann mit der Hydraulikpumpe solange zu pumpen, bis der Hydraulikheber den Wagenkasten soweit angehoben hat, dass die Schürze ganz nach oben geklappt werden kann. Nachdem das geschafft ist, beginnen die Einsatzkräfte mit der Unterbauung mittels Holzklötzen und Keilen, so dass später die Bahn gleichmäßig angehoben werden kann.

Hier wartet auch schon die nächste Herausforderung: Das Unterbauen muss von beiden Seiten vollzogen werden. Die Feuerwehrleute teilen sich auf – einer auf der einen Seite der Bahn, einer auf der anderen – und fangen an, gleichmäßig zu pumpen. Dabei legt sich ein weiterer Mann flach auf den Boden, ganz nah an die Bahn, um zu beobachten, ob die Bahn stets im richtigen Gleichgewicht nach oben gedrückt wird. Die Balance ist hier keine Nebensache, denn die Last muss auf beiden Stützen verteilt sein. Passiert das nicht, droht die Bahn zu kippen. Der Moment ist gekommen: Die Bahn kann so weit wie nötig mit den Hydraulikpumpen angehoben werden. Dies wäre auch der Moment, in dem die Feuerwehrmänner sich selbst unter die Bahn begeben und die Person retten.

Wenn eine solche Übung für die Einsatzkräfte der Feuerwehr zum Ernstfall wird, müssen sie diese Schritte exakt so durchführen. Der Gruppenleiter der Feuerwehr spricht von rund drei solcher Fälle im Jahr. Umso besser, dass die Rheinbahn die Feuerwehr dementsprechend immer wieder schult und ihnen ein eigenes Gleis zur Verfügung stellt, denn selbst als Feuerwehrmann hebt man nicht alle Tage eine 30 Meter lange Niederflurbahn an. Bei all den technischen und körperlichen Handgriffen und dem hohen Zeitdruck dürfen die Männer, neben der eigentlichen Rettung der Person, zudem nicht ihre eigene Sicherheit außer Acht lassen, denn schließlich müssen auch sie sich unter dem tonnenschweren Fahrzeug aufhalten.