125 Jahre Rheinbahn: Die Nationalsozialisten übernehmen die Macht

Die Rheinbahn feiert 2021 Jubiläum: Seit 125 Jahren ist sie ein wichtiger Motor für Düsseldorf und die Region und prägt deren Geschichte entscheidend mit. Grund genug, um im Laufe des Jahres immer wieder einen Blick auf unsere Historie zu werfen. Alle Beiträge dazu findet Ihr hier.
Im letzten Beitrag ging es um die Gründung des Flughafens.

Am 20. April 1933, Adolf Hitlers Geburtstag, zieht ein riesiger Fackelzug durch Düsseldorf. Die Rheinbahn stellt ihren Betrieb „im Aufmarschgebiet“ um 18 Uhr ein. „Die Fahnen in allen Straßen mehren sich zum farbigen Gewimmel, scharf heben sich die Hakenkreuzfahnen, die man an die Querdrähte der Straßenbahnmasten gehängt hat, vom jungen Grün der großen Allee ab,“ berichtet die Presse begeistert.

Adolf Hitler war am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler ernannt worden. Sofort werden die Folgen der Machtergreifung spürbar: Nationalsozialisten besetzen systematisch führende Positionen in Verwaltungen und Unternehmen, auch bei der Rheinbahn. Aufgrund einer Intrige wird Generaldirektor Karl Fritzen durch den NSDAP-Propagandaleiter Otto Liederley ersetzt. Schnell setzte Liederley Maßnahmen durch, um die Rheinbahn in den Dienst der NSDAP zu stellen und nationalsozialistisches Denken unter ihren Mitarbeitern zu verbreiten. Schon im September wird der „Hitlergruß“ oder auch der „Deutsche Gruß“ als verbindliches Begrüßungsritual für die Rheinbahner angeordnet. Auch die Werkszeitschrift „Das Rad“ wird zur Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie genutzt.

„Wohltaten“ sollen es den „Gefolgschaftsmitgliedern“ leicht machen, den nationalsozialistischen Ideen zu folgen: Dazu gehören die Verbesserung von Verkehrsverbindungen, wie durch den Aufbau eines Omnibusnetzes, die Durchführung von preisgünstigen Ausflugsfahrten und eine Vielzahl von sozialen Leistungen. Arbeitsbeschaffungsprogramme verringern die hohe Arbeitslosigkeit und Dienstwohnungen werden gebaut. Der Einfluss des Unternehmens wird bis in den privaten Bereich der Mitarbeiter ausgeweitet: (Freizeit-)Betriebsgemeinschaften werden aufgebaut und bieten vielfältige Aktivitäten. In eigenen Kinderheimen werden Kuren für Zehn- bis Vierzehnjährige angeboten, um Mütter zu entlasten.

Kritik an den politischen Verhältnissen wird durch die neue Führung sofort scharf zurückgewiesen. Otto Liederley droht im Juli 1934 persönlich: „Ich mache […] darauf aufmerksam, daß ich in Zukunft gegen diejenigen Rheinbahner, die noch immer glauben, aus ihrer staatsfeindlichen Einstellung in mehr oder weniger versteckter Form keinen Hehl machen zu sollen, mit aller Schärfe vorgehen werde.

Anfänglich aufkeimender Widerstand wird schnell unterdrückt. 20 Mitglieder der kommunistischen Betriebsgruppe der Rheinbahn werden angeklagt, für inhaftierte Parteimitglieder illegal gesammelt zu haben. 15 Angeklagte werden im August 1934 zu Freiheitsstrafen verurteilt. Drei von ihnen werden in Konzentrationslagern sterben oder begehen Selbstmord.

In seinem Buch „Mein Kampf“ beschreibt Adolf Hitler unmissverständlich den Umgang mit seinen Gegnern und den Juden. So beginnt 1933 auch der Leidensweg der Juden, der in den Vernichtungslagern enden wird. Früh werden sie auch bei der Rheinbahn diskriminiert. 1934 werden die Beschäftigten aufgefordert, keinen Umgang mit Juden zu pflegen. 1935 wird eindeutig auf die Einhaltung der Vorschriften hingewiesen: „[…]wonach es Gefolgschaftsmitgliedern von Gesellschaften öffentlich rechtlichen Charakters, wie es die Rheinbahn ist, verboten ist, in jüdischen Geschäften zu kaufen. Die Juden stehen außerhalb der deutschen Volksgemeinschaft und jeder Groschen, der in jüdische Geschäfte getragen wird, schädigt die deutschstämmige Geschäftswelt.“ Weiter heißt es: „Abgesehen von dem in Dienstangelegenheiten unbedingt notwendigen Verkehr hat darüber hinaus jeder persönliche Verkehr mit Juden zu unterbleiben.

Fusion mit der Düsseldorfer Straßenbahn
Einschneidende Auswirkungen auf die wirtschaftliche Situation der Rheinbahn hat das „Gesetz über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften“, das zum 1. Januar 1937 umgesetzt wird. Alle nicht direkt dem Verkehr dienenden Geschäftsteile (wie Oberkasseler Brücke, Elektrizitätswerk, Grundbesitz, Flughafen) werden von der Stadt übernommen. Die Auswirkungen werden erst nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Aufkommen des Individualverkehrs deutlich, der die Finanzierung des Verkehrsbereichs immer schwieriger machen wird. Zeitgleich wird das noch bestehende Pachtverhältnis der Rheinbahn und der Städtischen Straßenbahn aufgelöst und die beiden Betriebe fusionieren.

Einen ganz neuen Komfort bietet ein Straßenbahnwagen, der von der Düsseldorfer Waggonfabrik ab Ende 1936 ausgeliefert wird: eine besonders niedrige Einstiegshöhe. Dieser „Niederflurwagen“ soll erstmals auf den Ausstellungslinien zur „Reichsausstellung Schaffendes Volk“ im folgenden Jahr eingesetzt werden.

Ein fabrikneuer „Niederflurzug“ verkehrt auf der Linie A zwischen dem Hauptbahnhof und dem Ausstellungsgelände, 1937.

„Reichsausstellung Schaffendes Volk“
Rheinbahn-Generaldirektor Otto Liederley wird im Februar 1937 auch zum kommissarischen Oberbürgermeister ernannt, da der Amtsinhaber, Hans Wagenführ, aufgrund eines Korruptionsskandals abgesetzt wurde. Diese Position muss schnell besetzt werden, da Düsseldorf mit der bedeutenden Ausstellung wieder im Blickpunkt des Deutschen Reichs steht. Die „Reichsausstellung Schaffendes Volk“ zieht vom 7. Mai bis 17. Oktober im neu geschaffenen Nordparkgelände rund 7 Millionen Besucher an. Alle gesellschaftlichen Bereiche und die gesamte Wirtschaft zeigen, welche Fortschritte die nationalsozialistische Politik in nur vier Jahren bewirken konnte und vermitteln einen Blick auf das zukünftige Leben der Bevölkerung. Die Rheinbahn organisiert die An- und Abreise der Ausstellungsbesucher mit zusätzlichen Ausstellungslinien sowie mit Zubringerdiensten mit Bussen und Schiffen.

Der Verkehrsbetrieb präsentiert sich in einem eigenen Ausstellungsbereich. Auch die Liliputbahn wird wieder durch die Rheinbahn betrieben. Rund fünf Millionen Besucher nutzen diese Möglichkeit, um sich einen Überblick über das weitläufige Ausstellungsgelände zu verschaffen.

Auf dem Gelände der Ausstellung „Schaffendes Volk“ im Norden der Stadt präsentiert sich die gesamte deutsche Industrie, hier die Ausstellungsbauten der Mannesmann-Werke. Rechts im Bild fährt die Liliputbahn.

Erste moderne Oberleitungsbuslinie
Nach der Fusion mit der Kreis Mettmanner Straßenbahn am 16. April 1937, die im niederbergischen Raum auch mehrere Straßenbahnlinien betreibt, gehört die erste moderne Oberleitungsbuslinie in Deutschland zwischen Mettmann und Gruiten nun der Rheinbahn. Dieses neue Verkehrsmittel, das die Stärken von Bahnen (elektrischer Antrieb) und Bussen (geringe Infrastrukturkosten) kombinieren sollte, wird sich jedoch nicht durchsetzen. Die Linie bleibt ein Einzelfall im Rheinbahnnetz und wird schließlich 1952 auf Dieselbusse umgestellt. Auch die letzte Straßenbahnlinie zwischen Mettmann und Wuppertal-Vohwinkel wird im Mai 1952 zum letzten Mal fahren.

Rheinbahn-Generaldirektor Otto Liederley spricht am 16. April 1937 anlässlich der Übernahme der Kreis Mettmanner Straßenbahn im Mettmanner Betriebshof.

Der Omnibusverkehr weitet sich aus, die Rheinbahn kauft neue Busse. Insgesamt zehn Buslinien ergänzen 1937 das Straßenbahnnetz. Dazu kommen noch die Ausflugsfahrten. Gegenüber der Endstelle der Fernbahnen wird am 7. Juli 1937 ein zentraler Omnibusbahnhof „Rheinbahn-Verkehr“ am Adolf-Hitler-Platz (heute Graf-Adolf-Platz) in Betrieb genommen. Der Betriebshof Am Steinberg erhält eine neue Werkstatthalle für Busse, die die bisherigen unzureichenden Provisorien in der Münsterstraße und der Erkrather Straße ersetzt.

Der Graf-Adolf-Platz (damals Adolf-Hitler-Platz) wird weiter zum Verkehrsknoten ausgebaut. Gegenüber dem Fernbahnhof wird 1937 der Busbahnhof „Rheinbahn-Verkehr“ mit einem Servicegebäude in Betrieb genommen.

Überraschend stirbt Otto Liederley kurz darauf im November an den Komplikationen einer routinemäßigen Blinddarmoperation. Gerüchte, dass parteiinterne Gegner dazu beigetragen haben könnten, entstehen schnell. Ein ebenso linientreuer Parteianhänger ist sein Nachfolger SS-Obersturmbannführer Rudolf Bieber, der am 3. Januar 1938 die Nachfolge antritt.

In der Reichspogromnacht am 9./10. November brennen in Düsseldorf Synagogen und Häuser jüdischer Mitbürger, Nationalsozialisten hetzen Juden durch die Straßen, führen willkürliche Verhaftungen aus und verschleppen sie. Aus der Diskriminierung der jüdischen Mitbürger wird eine offene Verfolgung.

Die Rheinbahn befördert Juden in Straßenbahnen nur noch auf dem Perron und nur, wenn dort ausreichend Platz ist. Später werden Juden gänzlich von der Beförderung ausgeschlossen.

Auch Rudolf Bieber ist ein Freund von großen Inszenierungen. Die „Wagenschau Düsseldorf 1938“ vom 17. bis 19. November lenkt die Aufmerksamkeit des Reichs auf Düsseldorf. Auf dieser Ausstellung werden an vier Orten in der Stadt die modernsten Produkte des deutschen Waggonbaus gezeigt: In der Stockumer Kirchstraße werden 16 Straßenbahnen der Spurweite 1.435 mm ausgestellt. In Benrath kann man sieben meterspurige Bahnen besichtigen. 17 Busse stehen im Stadtzentrum in der Reit-Allee im Hofgarten und für die vier Oberleitungsbusse wird eine Demonstrationsstrecke in der Altstadt eingerichtet.

In der Stockumer Kirchstraße präsentieren sich während der „Wagenschau“ die normalspurigen Straßenbahnwagen. Die Reihe wird von Wagen aus Nürnberg, Köln und Kassel angeführt.

Neue Hauptverwaltung
Das Ludwig-Loewe-Haus am Hauptbahnhof wird nach der Arisierung nicht mehr genutzt und nach einem Umbau im August 1939 zur neuen repräsentativen Hauptverwaltung der Rheinbahn. Die markanten Skulpturen an der Gebäudefront – fünf Löwen – werden dabei entfernt. Nach Kriegsende werden die steinernen Löwen in Heerdt in einer Bauschutthalde wiedergefunden. Heute sind noch vier der Sandsteinfiguren vorhanden: eine im Betriebshof Heerdt, eine in Heerdt im Innenhof eines Pflegeheims. Die beiden Löwen vor der Hauptverwaltung in Lierenfeld sind ein sichtbares Zeichen, dass dieses düstere Kapitel der Unternehmensgeschichte nicht in Vergessenheit geraten soll.

Kurz nach Bezug der neuen Hauptverwaltung beginnt am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Um diesen geht es im nächsten Kapitel.

Informationen zum Autor:

Hans Männel arbeitet in der Unternehmenskommunikation der Rheinbahn. Sein besonderes Interesse gilt der Geschichte des Nahverkehrs in der Region. Er ist Vorsitzender der „Linie D – Arbeitsgemeinschaft historischer Nahverkehr Düsseldorf“. Die Mitglieder des Vereins haben das Ziel die Düsseldorfer Verkehrsgeschichte – in enger Zusammenarbeit mit der Rheinbahn – „erfahrbar“ zu erhalten.